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Der Blutkristall

Titel: Der Blutkristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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Viviannes Reißzähne glänzten längst feucht im Licht der Kandelaber und ihre Augen glühten in der Dunkelheit. Die Blutlust begann die Macht zu übernehmen, so sehr sie sich auch dagegen sträubte. Es schien auf einmal viel einfacher, ihren Instinkten nachzugeben, sich treiben und tragen zu lassen von der Welle lang unterdrückter Emotionen. Zwischen Sebastian und ihr schien es nur noch die dünne Seide ihres Kleides zu geben, sie spürte seine Erregung und genoss ihre Macht, die noch größer wurde, als sie begann, sich katzengleich an ihm zu reiben.
    Der Vampir auf der Bühne sprach dröhnende Worte, die endlich auch in ihr Bewusstsein drangen. «... ein ganz spezieller Abend», sagte er, «besonders für unseren Freund, der bedauerlicherweise bis heute darauf bestanden hat, eigene Wege zu gehen.» Seine Augen schienen etwas zu suchen, fanden es schließlich und Vivianne fühlte seine Magie wie eine heiße Welle, die sie fortzureißen drohte. Sie stöhnte, Sebastian zog sie sanft an sich, der Kontakt brach ab und Carl dort oben auf der Bühne lachte, dass ihr das Blut in den Adern gefror. Sebastian, mein Freund, willst du nicht mit uns teilen? Der Saal wurde ganz still und einer nach dem anderen wandte seinen Kopf in ihre Richtung. Sie wollte fliehen, doch Sebastian hielt sie in einem eisernen Griff. Sie sind wie Wölfe, wenn du jetzt davonläufst, kann niemand mehr etwas für dich tun! Sie erstarrte und ließ die tödliche Ruhe zu, die Generationen von Vampiren vor ihr meisterhaft zu beherrschen gelernt hatten und die sie zu den gefährlichsten Jägern dieser Welt machte. Carl applaudierte lautlos. Das Rehlein hat seine Lektion gelernt. Glückwunsch, meine Liebe! Und an Sebastian gewandt: Ich hoffe, du weißt, was du tust! Dann stieß er einen schrillen Pfiff aus, das Publikum johlte und der Druck ihrer Aufmerksamkeit entließ sie aus seinen Klauen. Vier bullige Kerle, von denen Vivianne lieber gar nicht wissen wollte, welcher magischen Familie sie angehörten, schleppten einen Mann herein.
    Vivianne schrie auf. «Nein!» Die Hand auf ihrer Schulter wurde zur Klaue und schärfte ihren Blick. Erleichterung glitt wie lindernder Honig über ihre Angst. Nicht Morgan. Nur ein Vampir, der ihm ähnlich sah. Sein Hemd hing in Fetzen von den Schultern, blutige Risse in der ausgewaschenen Jeans, keine Schuhe. Geschwächt, mit glasigen Augen. «Fahr zur Hölle!» Seine Lippen brüchig, die Stimme trotz aller Qualen stolz.
    Zeit für Gerechtigkeit! Woher kam dieser Gedanke? Und neben Vivianne skandierten die Zuschauer: «Blut! Blut! Blut!» Ihr wurde von der aggressiven Energie übel, sie schwankte leicht. Sebastian aber gab ihr Halt, die Hände auf ihren Solarplexus gepresst durchflutete seine Energie ihr Sein. Blut! Sie konnte das warme Elixier des Verräters in ihrem Mund spüren!
    Der Majordomus machte ein Zeichen und seine Schergen banden den Vampir an ein Kreuz. Welche Ironie! , dachte Vivianne und vermochte doch nicht, ihren Blick abzuwenden, so sehr sie es auch versuchte. Überall begegnete ihr das Gesicht des Gefolterten.
    «Du!» Carl zeigte ins Publikum, und eine brünette Schönheit warf ihre Arme in die Luft, als habe man ihr soeben Millionen versprochen. Als die Bodyguards sie auf ihrem Weg zur Bühne begleiteten, wehte ein Hauch frischen Blutes herüber, und Vivianne wusste, dass die junge Frau eine erst kürzlich transformierte Vampirin war. Das Publikum machte bereitwillig Platz, und nicht wenige leckten sich hungrig die Lippen, als sie vorüberschritt. Der Gefangene am Kreuz fauchte und versuchte sich loszureißen. Sie alle konnten seinen stillen Schrei hören: Nein! Nein, nicht sie!
    Nur das Mädchen, vermutlich seine Freundin, nahm ihn nicht einmal wahr. Die Männer hoben sie auf die Bühne und im Nu stand sie vor Carl, der die theatralischen Bewegungen eines Las-Vegas-Magiers nachahmte. Irgendjemand hatte ihm sogar ein Cape umgelegt, das er elegant zurückschlug, während er seine Beute lauernd umkreiste. Schließlich griff er nach ihrer Hand und drehte sich zum Publikum: «Begrüßt meine neue Assistentin!» Die Leute lachten, als hätte er einen Scherz gemacht, einige applaudierten höflich und eine Anspannung lag in der Luft, die Vivianne Böses ahnen ließ.
    Carl beugte sich über den behandschuhten Arm seiner «Assistentin», die albern kicherte und einen Knicks machte, als er ihre Hand küsste. «Zeig mir, was du gelernt hast!» Er schnippte mit den Fingern und zeigte dabei ein gemeines Lächeln.

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