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Der Blutkristall

Titel: Der Blutkristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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erfahrenen Vampirs wie Morgan, der die Grausamkeiten von drei Jahrhunderten miterlebt hatte. Edna war in eine Wohnung nur wenige Straßen weiter eingedrungen, wo sie ein Blutbad angerichtet hatte. Zwei kräftige Männer lagen schon tot am Boden, als er sie gerade noch von einer Schwangeren fortreißen konnte, die mit weit aufgerissenen Augen auf die Teufelin starrte, die sich anschickte, ihr den Leib aufzureißen, um das ungeborene Leben, das darin reifte, zu vernichten.
    Nach diesem Zwischenfall begann er zu begreifen, warum Ednas Kerkermeister sie tief unter der Erde, hinter armdicken Gittern gefangen gehalten hatte.
    Sein Zuhause glich bald danach ebenfalls einer magischen Festung, doch als er in dieser Minute aus der Zwischenwelt in sein Loft trat, konnte er kaum glauben, was sich vor seinen Augen abspielte. Edna saß in einer frischen Blutlache und hielt ein kleines Bündel fest umschlungen. Als er näherkam, sah sie auf und lächelte ihn verträumt an. «Mein Püppchen», flüsterte sie.
    Morgan hatte nie zu den Vampiren gehört, die aus Freude mordeten, und Kinder waren immer tabu für ihn gewesen. Vielleicht weil er es oft bedauert hatte, keinen Sohn oder Tochter hatte aufwachsen sehen zu dürfen. Er hätte ihnen eine glücklichere Kindheit geschenkt, auch in den harten Zeiten, die während seiner Jugend für seinesgleichen geherrscht hatten, und heute sowieso. Für das Baby in Ednas Armen gab es keine Hoffnung mehr. Aber von ihm konnte das viele Blut nicht sein, das in die Bodendielen einsickerte. Argwöhnisch blickte er nach oben – und da hing sie. Er betete längst nicht mehr. Aber jetzt flehte er die Götter an, dass die Mutter schon tot gewesen war und nicht mehr hatte erleben müssen, wie Edna ihr Kind aussaugte. Morgan wandte den Blick ab und bemühte sich, nichts von seinen Gefühlen erkennen zu lassen, aber die Vampirin spürte, dass er nicht glücklich mit ihr war. Sie legte das Kind beiseite, als bette sie es zur Nacht, und sprang dann plötzlich mit ausgefahrenen Krallen auf Morgan zu. «Es ist alles deine Schuld», kreischte sie. Er konnte sich ihres Angriffs kaum erwehren. Immer wieder kam Edna auf ihn zu und versuchte ihn zu verletzen. Schließlich bekam er sie an ihrem dicken Zopf zu fassen und schleifte die wild um sich Schlagende durch seine Wohnung, zurück in ihr verborgenes Verlies. Dort erlahmte ihre Kampflust so plötzlich, wie sie gekommen war. Er nahm sie auf den Arm, strich eine feuchte Strähne aus ihrem Gesicht und legte sie behutsam zurück in ihren steinernen Sarkophag. Sie lächelte ihn an und schloss die Augen. «Geliebter!» Sekunden später war alles Leben aus ihr gewichen, und selbst für einen Vampir wirkte sie erstaunlich still. So still, dass weniger erfahrene Geschöpfe der Nacht sie für tot gehalten hätten. Aus Erfahrung wusste er, dass Edna nach einer solchen Nacht wenigstens ein paar Tage ruhen würde. Hoffentlich. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, Vivianne unter diesen Umständen hier übernachten zu lassen, doch er hatte keine andere Wahl gehabt. Vielleicht, wenn er geahnt hätte, dass sie mit Cyron bekannt war. Ein schöner Freund, dieser Elf, der ihm nicht einmal erzählt hatte, dass er seit Jahren auch einen Unterschlupf in Berlin besaß.
    Morgan begann aufzuräumen. Später würde er die Purgatoren des Rats holen müssen, damit diese die letzten Spuren des Massakers entfernten. Das wahre Ausmaß seiner häuslichen Katastrophe brauchte er ihnen nicht unbedingt auf die Nase zu binden. Die Chefin der europäischen Niederlassung hatte ohnehin einen scharfen Blick, und es würde bestimmt nicht mehr lange dauern, bis sie sich nicht mehr von seinem Charme einwickeln ließ, sondern eine Erklärung verlangte. Es wurde Zeit, dass er etwas unternahm.
    Vivianne war versucht, Morgans Bitte nachzugeben und in den komfortablen Gästebungalow zurückzukehren. Doch es gab wichtige Dinge zu tun. Sie prüfte ihre Umgebung mit allen Sinnen, die sich jetzt klarer anfühlten als ein eisiger Gebirgsbach. Am Seeufer promenierten Gäste, sie waren offenbar keineswegs die Einzigen, die es nicht länger im Ballsaal gehalten hatte. Den Paaren folgten jeweils Sicherheitsmitarbeiter in angemessenem Abstand. Noch mehr Security war im Park postiert, seltsamerweise konnte sie darunter keine Vampire spüren. Vielleicht werden die alle im Herrenhaus benötigt. Vivianne maskierte ihre Gegenwart auf die gleiche Weise, wie sie es von ihren Brüdern gelernt hatte. Von wegen Anfängerin! ,

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