Der Blutkristall
ein großzügiges Geschenk gemacht. Aber diese Megäre hier übertraf alles an Stutenbissigkeit, was Vivianne jemals widerfahren war. Außerdem hatte sie es jetzt mit einer Vampirin zu tun, da war Vorsicht angebracht. Dumm nur, dass sie nicht einmal ihren kleinen Finger bewegen konnte. Sie war dem Biest ausgeliefert. Und dieses Weibsstück wollte eindeutig Blut sehen. Als sie sich zu Morgan umwandte, flog Geifer aus ihrem Mund, die langen Reißzähne machten es schwer, sie zu verstehen. «Du hast mir geschworen, sie ist nicht wichtig.»
«Und habe ich dich schon einmal angelogen?» Morgan machte einen Schritt auf sie zu. «Edna, es gibt keinen Grund, eifersüchtig zu sein.» Seine Stimme klang sanft, geradezu liebevoll, und schien darauf ausgelegt, die zornige Geliebte nicht weiter zu verärgern. Aber in dem Maße, wie seine Worte allmählich die Rage aus ihrem Gesicht fort schmeichelten, wuchs in Vivianne der Ärger. Sie nahm sich zusammen, und die Empörung half ihr, sich aus dem magischen Bann ihrer Gegnerin zu befreien und diese gute drei Meter auf Abstand zu bringen. Wie konnte er behaupten, sie sei nur eine Geschäftspartnerin? «Und was war das dann gestern?», platzte sie heraus. «Hast du etwa die Stirn zu behaupten, du hättest mich nicht gewollt?»
«Vivianne!» So etwas wie Panik schwang in seiner Stimme mit. Aber sie war frei und inzwischen so wütend, dass sie nicht weiter darauf achtete und fauchte: «Für mich hat sich das jedenfalls danach angefühlt.» Und
zu Edna gewandt fuhr sie fort: «Er küsst wirklich sensationell, das muss man deinem Freund lassen.» Dann lächelte sie böse. «Aber sag, ist er nicht zu viel Mann für so einen Zwerg wie dich?» Sie lachte wissend, und Morgan warf ihr einen erstaunten Blick zu. Diesen Augenblick der Unaufmerksamkeit nutzte Edna, die Morgan mit seinem Blick bisher in Schach gehalten hatte, und flog mit zu tödlichen Klauen gebogenen Fingern auf Vivianne zu. Morgan warf sich zwischen sie. Er zerrte Edna fort, und das Vampirpärchen rollte über den Boden, während es miteinander rang.
Vivianne war insgeheim heilfroh, dass er sie vor dem Angriff gerettet hatte. Einem Catfight fühlte sie sich gewachsen, aber Edna wollte sie tot sehen. Das war etwas weitaus Persönlicheres. Vivianne hatte andere Pläne für ihre Zukunft.
Während Morgan noch damit beschäftigt war, seine wild um sich schlagende Geliebte niederzuringen, wobei er eindeutig vermied, sie ernsthaft zu verletzen, drehte sich Vivianne auf dem Absatz um. Sie hätte dem Biest kurzerhand den Hals umgedreht. Aber es war ziemlich klar, worauf diese entwürdigende Szene hinauslief. Und sie wollte auf keinen Fall Zeugin einer stürmischen Versöhnung zwischen zwei Liebenden werden.
Morgan drehte Ednas Arme auf den Rücken und zischte in ihr Ohr: «Wenn du nicht stillhältst, lege ich dich so lange in Ketten, bis du zu schwach bist, jemals wieder solch eine Szene zu machen.» Er wusste, dass Vivianne fort war. Doch wohin konnte sie schon gehen? Zuerst einmal musste er seine Edna zur Ruhe bringen. «Komm schon, sag mir, dass ich jetzt loslassen kann.»
Ihr blieb nicht viel Bewegungsfreiheit. Seine Hände lagen wie Schraubzwingen um ihre zarten Handgelenke, und sie konnte sich noch gut daran erinnern, wie es sich anfühlte, Tag und Nacht die schweren Eisen zu tragen, bis die Hände erst kalt wurden, später kribbelten und schließlich so schmerzten, dass die darauf folgende Phase eine Gnade war, weil sie nun nicht einmal mehr wusste, wem die leblosen Klumpen gehörten, die einst wie zarte Vögelchen über die Körper ihrer Liebhaber gehuscht waren. Wieder und wieder hatte der Mann, der ihr einst ewige Treue geschworen hatte, sie so gedemütigt. Sie drehte den Kopf. «Wer bist du?», fragte sie den Fremden.
Er gab einen Laut von sich, der sehr nach einem verzweifelten Seufzer klang, und hob sie langsam hoch, bis beide wieder auf sicheren Füßen standen. «Ich bin Morgan, erkennst du mich nicht?»
«Ich will zu meinem Mann.»
Er brachte es nicht übers Herz ihr zu sagen, dass der Mann, nach dem sie rief, die Schuld an ihrem jetzigen Zustand trug. Morgan hatte niemals herausgefunden, wer für dieses schreckliche Schicksal verantwortlich war, erinnerte er sich doch sonst an jede Einzelheit, als wäre es erst gestern und nicht vor fast dreihundert Jahren geschehen …
Weil der Tag schon so nah war und seine Natur ihn zwang, den geheimen Unterschlupf, fern von Licht und Wärme, aufzusuchen, hatte er nichts
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