Der Blutkristall
habgierigen Statthalter gemacht hatte. Aber jetzt galt es erst einmal, den Vampir vor ihr loszuwerden. Vivianne strich sich die nassen Haare aus dem Gesicht und schenkte ihm ein warmes Lächeln. «Wenn ich es mir genau überlege, war dein Vorschlag ganz in Ordnung.» Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter, und es sprach für ihn, dass er nicht zurückzuckte. «Aber vorher könnten wir ein wenig Spaß haben, meinst du nicht?» Vivianne gurrte die letzten Worte und rieb sich dabei wollüstig an ihm. So macht man das , die Erinnerung daran, wie Morgans Geliebte vor wenigen Stunden ihren üppigen Busen an seine Brust gepresst hatte, ließ sie erschaudern. Der Vampir verstand das falsch und langte nach ihr. «Jetzt gefällst du mir schon besser!» Er machte Anstalten, ihren Rock hochzuschieben, und das gab ihr die Gelegenheit, unbemerkt tiefer in seine Gedanken einzudringen. Sie wollte allerdings nicht wissen, was er in diesem Augenblick dachte, denn das war offensichtlich. Sie hatte andere Pläne.
Nicht hier, nimm mich mit zu dir nach Hause.
Seine Hand verließ den Platz an ihrem Oberschenkel. «Ich wohne ganz in der Nähe.»
Der Trick, den Kieran ihr gezeigt hatte, schien zu funktionieren. Im Moment höchstmöglicher Ablenkung kannst du einen Gedanken in deinem Gegenüber platzieren , hatte er erklärt. Diese Fähigkeit gehöre zu den besonderen Talenten ihrer Familie. Ob sich ihr gestrenger Bruder dabei ebenfalls der Anziehungskraft seines durchtrainierten Körpers bediente? Vivianne lachte hell auf, sodass beide, der Elf und ihr Möchtegernliebhaber misstrauisch aufsahen. Es konnte nicht schaden, wenn man sie für ein wenig verrückt hielt, befand sie und lachte erneut. Dieses Leben begann ihr Spaß zu machen.
Kapitel 12
Wenn sie geglaubt hatte, Morgan lebe spartanisch, dann wurde sie hier eines Besseren belehrt. Als Vivianne die Wohnung des Vampirs betrat, fiel sie beinahe über einen großen Müllsack, der bis zum Rand mit Blutkonserven gefüllt war. Es roch streng, ein bisschen nach Verwesung und ziemlich ungelüftet. Die Küchennische zur Rechten war unbenutzt, lediglich ein Kühlschrank ächzte, als säße dahinter eine Legion Eisgnome, die hart arbeiteten, um die Temperatur in seinem Inneren niedrig zu halten.
Ein Sofa vor dem obligatorischen Fernseher wurde an Geschmacklosigkeit nur noch von der Deckenbeleuchtung übertroffen. Den Couchtisch hatte er vermutlich von seinen Eltern geerbt. Eiche rustikal, Rauchglas. Ein interessanter Kontrast zum nagelneuen Laptop aus gebürstetem Aluminium, das darauf thronte. Zweifellos gestohlen, ebenso wie die Docking-Station für den hochwertigen MP3-Player, den ihr Gastgeber gerade aktivierte. Sein Musikgeschmack versöhnte Vivianne mit der Situation. Beinahe, denn nun ging er zum Kühlschrank und nahm eine Blutkonserve heraus, die er in einem Zug leerte. Er schien gar nicht auf die Idee zu kommen, ihr etwas anzubieten. Die Art und Weise, wie er sie betrachtete, während das Blut seine Kehle hinabrann, ließ allerdings keinen Zweifel aufkommen, woran er dachte. Die sexuellen Fantasien des Vampirs begannen Vivianne auf die Nerven zu gehen. Trotzdem hielt sie es tapfer in seiner Gedankenwelt aus, um vor Überraschungen sicher zu sein. Ahnungslos, dass sie ihn nicht nur durchschauen, sondern sogar bis zu einem gewissen Grad kontrollieren konnte, begann er nach Klebeband zu suchen, mit dem er Salai fesseln wollte. Dabei dachte er sehr bildhaft darüber nach, wie es wäre, die gleiche Behandlung Vivianne angedeihen zu lassen und sie gemeinsam mit ein paar Freunden ordentlich einzureiten , vielleicht würde er dieses Vergnügen aber auch nur sich selbst gönnen. Er bildete sich einiges auf seine Ausdauer ein. Danach könnte er sie vielleicht an Carl verkaufen, der immer Bedarf an neuem Spielzeug hatte.
Jetzt wurde es Vivianne zu bunt, der jämmerliche Tropf litt nicht nur an grenzenloser Selbstüberschätzung, er war auch noch ein dreckiges Schwein. Aber dagegen kannte sie ein erstklassiges Gegenmittel: In wenigen Minuten geht die Sonne auf! Sie gab diesem Gedanken einen zusätzlichen Kick, indem sie ein Bild von brutzelnder Haut in heißem Tropenlicht heraufbeschwor. Es war geradezu komisch, seine Reaktion zu beobachten. «So spät? Ich habe nur einen Sarg.» Er blickte wild um sich und zeigte auf einen Einbauschrank. «Da, du kannst in dem Schrank schlafen.» Und fort war er.
Salai räusperte sich und sah demonstrativ auf seine Uhr. Vivianne war sofort bei ihm. «Ich
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