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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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zwischen den beiden Pulks zu schließen, was ihnen nur bedingt gelang. Je mehr die Schiffe in die Strömung gerieten, desto mehr wurden sie in Richtung Nordsee abgetrieben, lagen dabei jedoch genau auf dem Kurs der »Möwe«. Sie bildeten eine Art Trichter, in den hinein die »Möwe« unaufhaltsam segelte, womit sie direkt ins Verderben zu fahren schien.
    Störtebeker ging zu Heiner Wolfen, seinem Steuermann, einem stillen, in sich gekehrten Mann, der nicht viele Worte machte. Hinrik beobachtete, wie er mit ihm redete und dabei mehrfach auf den Strom hinaus zeigte. Nach kurzer Zeit waren sie sich offenbar über die Manöver einig, die nötig waren, um den Hanse-Koggen zu entgehen.
    |472| Die »Bunte Kuh« stand an derselben Stelle wie bisher. Es schien, als wollte sie an dem bevorstehenden Kampf nicht teilnehmen.
    Störtebeker schlug das Alarmeisen und hob die Arme, um seine Likedeeler auf sich aufmerksam zu machen.
    »Wir brechen durch!«, befahl er mit großer Entschlossenheit. »Glaubt ja nicht, dass sie uns überlegen sind. Wir sind schneller als sie, wir sind wendiger, und wir können besser kämpfen. Das haben wir oft genug bewiesen. Wahrscheinlich kommt uns keine Kogge nahe. Und wenn doch, dann denkt daran, dass es nur eine Möglichkeit gibt, dem Grasbrook in Hamburg zu entgehen. Wir müssen die Pfeffersäcke in die Flucht schlagen!«
    Die Männer nahmen seine Worte mit Begeisterung auf. Sie stemmten ihre Waffen in die Höhe und hoben zu lautem Geschrei an. Jeder Einzelne von ihnen war kampfbereit. Das machte ihre Stärke aus. Sie fochten um ihr Leben. Die Besatzungen der Hanse-Koggen waren nicht unbedingt erpicht darauf, bis zum bitteren Ende zu kämpfen.
    Störtebeker winkte Hinrik zu sich heran. »Ich brauche Euch hier oben«, sagte er. »Die Hansischen werden als Erstes versuchen, uns auszuschalten, damit das Schiff führerlos wird. Das darf ihnen nicht gelingen.«
    Die letzten Minuten bis zur Entscheidung waren angebrochen. Nun schien alles sehr viel schneller zu gehen als zuvor. Die »Möwe« rückte an die Hanse-Koggen heran, die einen immer engeren Korridor bildeten. Schon sah es so aus, als müsste sich die Schnigge an seinem Ende zwischen den feindlichen Schiffen verkeilen, so dass die Männer der Hanse von allen Seiten über sie herfallen konnten. Dann aber spielte Störtebeker seine Karte aus.
    Auf sein Kommando verließ die »Möwe« ihren bisherigen Kurs, stieß durch eine Lücke der Hanseschiffe aus |473| dem Korridor heraus und befand sich plötzlich nicht mehr inmitten der gegnerischen Flotte, sondern seitlich davon. Hier verlor sie allerdings deutlich an Fahrt, da sie den Bereich der stärksten Strömung verlassen hatte. Auf der »Bunten Kuh«, die den Anker gelichtet und ihre Position verlassen hatte, krachte es. Eine Feuerzunge schoss über die Reling hinweg, und eine Rauchwolke stieg auf. Zugleich rauschte etwas an Mast und Segel des Piratenschiffs vorbei. Erschrocken fuhr Hinrik herum. Etwa hundert Ellen entfernt schlug ein Geschoss mit großer Wucht ins Wasser.
    Die »Möwe« verlor immer mehr an Fahrt, und die Koggen der Hanse rückten näher, so dass es schien, als hätte Störtebeker eine falsche Entscheidung getroffen. Die »Bunte Kuh« holte bedrohlich auf, und wiederum krachte eine Kanone. Aber auch diese Kugel verfehlte ihr Ziel. Dann endlich geriet die Schnigge wieder in schnell fließenden Wasser und beschleunigte.
    Gödeke Michels reckte einen Arm in die Höhe und winkte höhnisch lachend zu den drei Hanse-Koggen hinüber, die sich ihnen auf etwa dreihundert Schritte genähert hatten. Die Schiffe blieben rasch hinter ihnen zurück.
    »Sie sind uns in die Falle gegangen«, triumphierte er, während Störtebeker nur lächelte. »Wir haben sie in eine Untiefe gelockt, und nun sitzen sie bis zur nächsten Flut auf einer Sandbank fest.«
    Hinrik erkannte, dass Störtebeker die natürlichen Gegebenheiten in der Mündung der Elbe geschickt für sich genutzt hatte. Die Strömung hatte sich geteilt. Während die Flotte der Hanse im breiten Hauptbett der Elbe blieb, hatte er einen schmalen Seitenarm aufgesucht. Dabei hatte er riskiert, für eine kurze Zeit in sehr träge fließendem Wasser zu verharren, um dann eine relativ schmale Rinne zu wählen, die das Schiff nun mit wachsender Geschwindigkeit |474| in die Nordsee hinausspülte, hinein in immer dichteren Nebel.
    »Die ›Bunte Kuh‹ nimmt Fahrt auf!«, verkündete der Späher oben im Mast. »Sie holt auf.«
    Noch war die »Möwe«

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