Der Bodyguard: Zwischen High Society und Unterwelt (German Edition)
mich bitte wieder auffangen und nicht fallen lassen. Als ich endlich wieder festen Boden unter den Füßen hatte, musste ich erst mal tief durchatmen. Ich war glücklich, dass ich den Ring doch noch unversehrt verlassen und nun meine große Party feiern konnte.
Das alles war nicht nur für mich eine Sensation. Die ganze Kickboxwelt stand Kopf. Ich war der erste Deutsche überhaupt, der Weltmeister in der Profisportart Kickboxen wurde. Den Titel habe ich viermal verteidigt.
Bei den Profis gibt es einen anderen Rhythmus als bei den Amateuren. Die Amateure tragen alle zwei Jahre die Weltmeisterschaft aus, im Wechsel dazu gibt es die Europameisterschaft. Bei den Profikickboxern ist es wie bei den Boxern: Etwa jedes halbe Jahr muss man gegen einen Herausforderer kämpfen und seinen Titel verteidigen. Der Herausforderer ist dann der Nächstbeste nach dem Weltmeister, innerhalb eines Verbandes. Früher gab es viele verschiedene Weltverbände. Am wichtigsten waren die WAKO Pro, PKO, IKBF und der Verband ISKA, der weltgrößte Profiverband. Kämpft man gegen einen Weltmeister eines anderen Verbands, geht es also um zwei Titel: um den des Gegners und um den eigenen Titel. Ich war schließlich Weltmeister in allen vier Verbänden.
Eine Zeitlang, nachdem sie mich 1987 in München so verladen hatten, trainierte ich nur Boxen. Ich hatte mit Jan Bauer einen hervorragenden Trainer, der mir die Kunst des Boxens richtig beibrachte. Von 1988 bis 1990 war ich bei den Box-Amateuren. Die eine oder andere Trophäe habe ich auch hier mit nach Hause gebracht. So wurde ich in den zwei Jahren unter anderem Berliner Meister und Norddeutscher Meister. Außerdem habe ich in der Bundesliga geboxt. Letztendlich war ich aber im Boxen bei weitem nicht so erfolgreich wie im Kickboxen, denn ich war eine andere Distanz gewohnt. Beim Boxen stand ich immer zu weit weg vom Gegner, was schlecht war, denn als Boxer muss man näher ran als beim Kickboxen. Da steht man eher etwas weiter weg vom Gegner, um eben die Kicks besser einsetzen zu können.
Manche Boxtrainer rümpften uns Kickboxern gegenüber die Nase. Sie dachten, wir wären nur Prügelknaben. Ich wollte immer zeigen, dass auch Kickboxen eine schöne, seriöse und ansehnliche Sportart ist. Ich wollte stets nur gegen die Besten kämpfen und habe mir deshalb Troy Dorsey als Gegner gewünscht, der später sogar Profiweltmeister im Boxen wurde. Wir trafen 1987 in Berlin bei einem Länderkampf Deutschland gegen die USA aufeinander. Er war zu dem Zeitpunkt Weltmeister – eine amerikanische Kampfmaschine – und galt als unschlagbar in seiner Gewichtsklasse bis 57 kg. Also hungerte ich mich von meinen 64 kg Normalgewicht mal wieder auf 57 kg runter.
Das Runterhungern habe ich immer gehasst. Die Nerven lagen stets blank. Es war schon schwer, mich auf 60 kg zu hungern, denn das war ja eigentlich mein Kampfgewicht. Aber 57 kg, also sieben Kilo runter, das war hart. Zum Glück wurde ich mit einem überragenden Sieg über Troy belohnt.
Wir kämpften in der Deutschlandhalle vor ca. 4000 Zuschauern. Die Stimmung war absolut berauschend, und es war extrem laut. Ab der fünften Runde standen die Fans auf den Stühlen und schrien mich zum Sieg. Selbst der amerikanische Weltpräsident Mike Anderson sagte hinterher zu mir, dass er noch nie zuvor so eine laute Halle erlebt hatte. Und er meinte, dass der Kampf ein Lehrstück für Weltklassekickboxen mit einem verdienten Sieger war. Mann, war ich stolz!
Troy ist dann später, wie gesagt, auch im Profiboxen Weltmeister geworden. Das hat uns beide geadelt. Ich war auch bei den Amateurboxern in der Nationalmannschaft im olympischen Team, habe in der Bundesliga gekämpft und mit den Boxern Sven Ottke und Graciano Rocky Rocchigiani trainiert.
Graciano Rocchigiani kannte ich schon als Amateurboxer, wir haben zusammen im Box-Leistungszentrum trainiert. Er hatte diese crazy Braut: Christine Rocchigiani. Sie war eine dominante Frau und extrem laut vor der Kamera. Mehr als einmal hat sie ihren Mann mit Herz zum Sieg gebrüllt. Und weil sie den Mund immer vollgenommen hat und geradeheraus sagte, was ihr in den Sinn kam, war sie natürlich bei der Presse beliebt. Irgendwann hat sie sich von Rocky getrennt. Einmal, als Rocky gegen Henry Maske umstritten verloren hatte, wurde sie gefragt, wie sie das Urteil fände. Ihre Antwort: Sie spuckte volles Rohr in die Kamera – bei einer Liveübertragung mit weit über zehn Millionen Zuschauern! Eine richtige Furie.
Grace
Weitere Kostenlose Bücher