Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien
unter Generalverdacht. Das kann man zwar
beklagen, es ist aber so und jeder politische Amtsträger weiß das.
Dieser Bereich ist eine Grauzone, in der es dennoch rote Linien gibt.
Christian Wulff verliert in dieser Zeit zunehmend den Instinkt für
diese roten Linien. Der Ministerpräsident schließt private Freundschaften mit Unternehmern, die vom Land gefördert werden wollen,
und macht sich damit angreifbar.
Hinzu kommen Veranstaltungen wie die Eventreihe Nord-SüdDialog, die von 2007 bis 2009 dreimal als gemeinsame PR-Aktion der
Länder Niedersachsen und Baden-Württemberg von dem Eventmanager Manfred Schmidt organisiert wird und zu der Stars wie beispielsweise die Schauspielerin Faye Dunaway eingeflogen werden.
Wulff und sein Sprecher Glaeseker sind überzeugt davon, dass genau
so moderne PR für ein Land funktioniert, man den Menschen auf
diese Weise zeigen kann, dass im Land „richtig was los ist". Später
allerdings ruft diese PR-Idee die Staatsanwaltschaft auf den Plan. Auch
hier geht es um die Schnittstellen zwischen Politik und Wirtschaft
und bei Wulffs Sprecher Olaf Glaeseker schließlich konkret um die
Frage, ob er im Gegenzug für das Geschäft mit dem Nord-Süd-Dialog auf Kosten des Veranstalters gratis Urlaub machen durfte. Als die
Wulffs im Dezember 2009 ein kostenloses Upgrade von Air Berlin für
einen Flug nach Miami in Anspruch nehmen, ist auch das instinktlos.
Als frisch gebackener Bundespräsident schließlich macht Wulff unmittelbar nach seiner Wahl mit Frau und Kindern erst einmal Urlaub
auf Mallorca in einem Anwesen von Carsten Maschmeyer. Er bezahlt
zwar dafür, gibt mit der Wahl seines Urlaubsdomizils aber einen weiteren Hinweis darauf, dass ihm als Ministerpräsidenten das Gespür
für das, was man macht oder eben doch besser lässt, ein Stück weit
verloren gegangen ist.
Als Ministerpräsident in Hannover allerdings ist Christian Wulff
durchaus erfolgreich. Neben einer ordentlichen politischen Bilanz
versteht es sein Sprecher Olaf Glaeseker meisterhaft, seinen ehemals
so biederen Chefin Szene zu setzen. Eine entscheidende Rolle dabei
spielt die Bild-Zeitung, vor allem, als es darum geht, den Umbruch
im Privatleben des Ministerpräsidenten öffentlich zu machen. Wulff
kommuniziert unter der Regie von Olaf Glaeseker die Trennung von
seiner Frau Christiane und seine neue Beziehung zu Bettina Körner
über die Bild-Zeitung. Es ist eine Win-win-Situation: Bild berichtet
exklusiv, punktet mit Geschichten und Fotos, die sonst keiner hat,
was gut für die Auflage ist, und hilft Wulff gleichzeitig damit, die
Trennung ohne bemerkenswerten öffentlichen Ansehensverlust zu
überstehen. Auch in der Folge inszeniert Bild Wulff immer wieder
als treu sorgenden Familienvater und erfolgreichen Regierungschef.
Hier ist noch einmal auf die im vorigen Kapitel erwähnte Fallstudie
„Bild und Wulff- Ziemlich beste Partner" von Hans-Jürgen Arlt
und Wolfgang Storz zu verweisen. Arlt und Storz vertreten die These, dass seit der Inszenierung der Trennung und der neuen Beziehung
quasi eine Art „Geschäftsbeziehung" zwischen Wulff und der BildZeitung bestanden hat. Wulff ist ein Bild-Liebling, wie es sie immer
wieder gab, gibt und vermutlich auch in Zukunft geben wird - das prominenteste Beispiel der jüngeren Vergangenheit ist der CSUPolitiker Karl-Theodor zu Guttenberg, der ebenso wie Wulff als Ministerpräsident über mehrere Jahre konsequent von Bild „hochgejubelt" wurde.
Das gilt auch für den gesellschaftlichen Umgang, den die Wulffs
pflegen: Die Freundschaften zu Carsten Maschmeyer oder David
Groenewold und die Partys, die man zusammen feiert, werden von
Bild jahrelang als tolle Glamour-Events beschrieben. So zum Beispiel
2009 Maschmeyers „Große VIP-Party zum 50. Geburtstag" - mit
„Promi-Gedränge" - oder die „Maschi-Party" zum Saisonabschluss
von Hannover 96. Unter den Gästen befindet sich neben Gerhard
Schröder und anderen Spitzenpolitikern auch immer Christian Wulff.
Über eine Berlinale-Party von David Groenewold liest man bei Bild
im Juni 2006: „Es war das bislang intimste und beste Dinner der 46.
Berlinale: Ein Abend unter Freunden` von David Groenewold (32,
GFP-Fonds) und Thomas Heinze (41) im 19. Stock des Springer Verlags. 293 Gäste, darunter kein Möchtegern, nix Luder, nur Very-Wichtige." Auch der Nord-Süd-Dialog erscheint in bestem Licht und wird
2007 als „VIP-Gipfel" und „Top Treffen der Wirtschafts-Bosse, Politiker,
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