Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien
schönen Seiten gehört,
dass der Bundespräsident immer hohe Beliebtheitswerte hat, vermutlich deshalb, weil er nicht für unpopuläre Entscheidungen zuständig ist.
Zwar redet das Staatsoberhaupt der Nation schon einmal ins Gewissen, aber mit Hartz-IV-Regelsätzen oder Steuererhöhungen hat es
nichts zu tun. Im Gegenteil: Der Bundespräsident ist traditionell angehalten, sich aus dem tagespolitischen Geschäft herauszuhalten. Das
ist gar nicht so einfach, denn die Zurückgezogenheit dieses Amtes
passt immer weniger in eine sich immer schneller drehende Medienwelt. Schweigt der Bundespräsident, weil er es für besser hält oder den
geeigneten Moment, sich zu Wort zu melden, noch abwarten will, sieht
er sich schnell mit der Frage konfrontiert, was er denn überhaupt die
ganze Zeit mache. Dabei füllt sich der präsidiale Terminkalender wie
von selbst. Wie sehr hat allerdings vor allem damit zu tun, wie viel sich
der jeweilige Amtsträger zumuten will an öffentlichen Auftritten, die
man häufig machen, aber genauso gut auch lassen kann, wie die Eröffnung einer Veranstaltung oder einer öffentlichen Einrichtung. Auch
wie viel Input er sich holt, durch Gespräche mit Wissenschaftlern,
Kulturschaffenden, aber eben auch mit Vertretern von Wirtschaftsverbänden oder Gewerkschaften, ist ihm letztlich selbst überlassen.
Die Bundespräsidenten haben das sehr unterschiedlich gehandhabt.
Zu den Regelmäßigkeiten im präsidialen Alltag gehören Gespräche
mit Politikern, mit den Vorsitzenden der großen Parteien oder mit
Bundestagsausschüssen. Alle sechs Wochen kommt die Kanzlerin ins
Bellevue, um mit dem Bundespräsidenten zu sprechen. Das Gespräch
findet traditionell immer beim Bundespräsidenten statt, ob im Schloss
oder gelegentlich auch in der Dienstvilla in Berlin-Dahlem, nie aber
im Kanzleramt, und es ist immer streng vertraulich.
Vieles von dem, was der Bundespräsident macht, ist genauso einzigartig wie das Amt an sich. Wohl kein anderes politisches Amt in
Deutschland ist in diesem Maße von formalen Zwängen, Konventionen
und Ritualen geprägt wie dieses. Die Außenpolitik nimmt einen großen
Raum im Alltag des Bundespräsidenten ein und an den protokollarischen Gepflogenheiten und strengen Regeln, die im repräsentativen Teil der
internationalen Politik gelten, kann kein Bundespräsident rütteln. Über
die Einhaltung dieser Regeln wacht das Protokoll im Bundespräsidialamt. Vieles davon können Außenstehende, die mit dieser Welt nichts
zu tun haben, nur kurios finden. Es ist ein ganz eigener Kosmos. Zu
diesen Regeln gehört beispielsweise, wo der Bundespräsident Staatsgäste in Schloss Bellevue zu begrüßen und zu verabschieden hat: Handelt
es sich um ein anderes Staatsoberhaupt, dann wartet er am Fuß der
Treppe von Schloss Bellevue, man begrüßt sich sozusagen auf Augenhöhe. Ist der Besucher jedoch „nur" ein Regierungschef und damit
rangniedriger, dann steht der Bundespräsident am oberen Ende der
Treppe vor dem Portal, der Gast muss also erst die Treppe heraufkommen. Ein Minister schließlich wird nicht draußen, sondern innerhalb
des Schlosses begrüßt. Auch die Dauer der Besuchszeit bemisst sich
nach dem Rang des Gastes: Während für ein Gespräch mit einem
anderen Staatsoberhaupt protokollarisch eine Stunde vorgesehen ist,
muss ein Regierungschef mit 45 Minuten auskommen. Für Gespräche
mit Besuchern im Ministerrang wird nur eine halbe Stunde veranschlagt
- so will es das Protokoll. Natürlich können Gespräche länger oder
kürzer dauern, doch dann bedeutet das auch etwas: Fällt eine Begegnung kürzer aus als vorgesehen, dann ist die Botschaft eindeutig - das
Gespräch war frostig. Abweichungen vom Protokoll sind für politische
Beobachter deshalb sehr aussagekräftig.
Das wohl eigentümlichste Ritual spielt sich ab, wenn ein neuer
Botschafter aus dem Ausland dem Bundespräsidenten sein Beglaubigungsschreiben überreicht. Angesichts der Vielzahl diplomatischer
Vertretungen in Deutschland gehört das zu den regelmäßigen Übungen im Terminkalender des Bundespräsidenten. Es ist ein rein formaler Akt, der jedoch sehr wichtig ist, denn erst dann hat der Diplomat
sein Amt offiziell angetreten und darf sich Botschafter nennen. Dieses
Ritual verlangt, dass der Wagen des neuen Botschafters bei seiner Ankunft im Ehrenhof vor dem Schloss nicht ganz bis zum Portal vorfahren darf, sondern kurz vorher am Seitenflügel anhalten muss. Den
letzten Weg bis
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