Der Bordeaux-Betrug - Der Bordeaux-Betrug - The Bordeaux Betrayal
eben mit mir getan hat, können sie sich auf etwas gefasst machen.«
»Da magst du recht haben«, sagte ich.
Ryan Worth erschien um fünf Uhr, als wir gerade für den Tag schlossen. Ich hatte Quinn informiert, dass er kommen würde.
»Ich bin sicher, dass ich die Fliege machen werde«, sagte er. »Dann können Sie zwei Täubchen allein turteln.«
Ryan hatte kürzlich einen unserer Weine – den Pinot Noir – in einer Besprechung schlecht beurteilt. Quinn war stocksauer gewesen. Ohne mein Wissen hatte er Ryan angerufen und ihm die Meinung gesagt.
Allem Anschein nach hatten sie damit den Höhepunkt ihrer Auseinandersetzung erreicht, denn danach erwähnte Ryan Le Coq Rouge, das kalifornische Weingut, in dem Quinn gearbeitet hatte, bevor er zu uns kam. Quinn wusste nicht, dass Ryan gut mit Tavis Hennessey befreundet war, dem Besitzer. Genauso wenig wusste er, dass Ryan vollständig über den Skandal informiert war, in den der Winzer – Quinns früherer Chef – verwickelt war und wegen dem man ihn ins Gefängnis gesteckt hatte. Es ging um den Verkauf von gepanschtem Wein auf dem Schwarzmarkt in Osteuropa. Das Geschäft des Weinguts brach zusammen, und Hennessey machte Le Coq Rouge schließlich dicht. Obgleich Quinn niemals wegen irgendetwas beschuldigt worden war, hatte Ryan eine dumme Bemerkung nach dem Motto Wer bei den Hunden schläft, wacht mit Flöhen auf gemacht. Soweit mir bekannt war, redeten sie immer noch nicht wieder miteinander.
»Warum mussten Sie ihn denn anrufen und ein solches Geschrei machen?«, hatte ich ihn gefragt. »Ich finde auch nicht, dass seine Beurteilung fair war, aber mit Honig erreicht man mehr als mit der Keule.«
»Vielleicht«, hatte er gesagt, »allerdings fühlt man sich danach nicht so gut.«
Ich traf Ryan am efeubedeckten Bogengang zum Hof. Während wir zum Weinkeller gingen, wirbelte vor uns eine Windbö eine unbenutzte Serviette hoch, die Reinigungspersonal entgangen war. Ich hob die Serviette auf und steckte sie ein, froh darüber, dass ich ein Jackett trug. Die Temperatur war seit dem frühen Nachmittag um mindestens zehn Grad gesunken.
»Kommt Ihr Winzer nicht?«, fragte Ryan.
»Unglücklicherweise hat er heute Abend schon eine Verabredung, die er nicht absagen konnte.« Mit seiner Waschmaschine.
»Wie schade.«
Ryan hielt mir die Tür zum Weinkeller auf, und ich schaltete die Lichter an, nachdem wir eingetreten waren.
»Wie viele Posten haben wir bisher?«, fragte er.
»Fünfundfünfzig, und es werden immer mehr.«
Der Weinkeller roch nach dem strengen, leicht ätzenden Odeur fermentierenden Weins. Mit den ungefähren Ausmaßen eines Olympia-Schwimmbeckens besaß die zur Hälfte unterirdische Höhle zehn Meter hohe Decken, Wände aus unbehauenen Steinen und vier miteinander verbundene Nischen, in denen die meisten unserer Eichenfässer ungestört in kühler Dunkelheit ruhten. Die Fermentierungstanks aus Edelstahl standen entlang der hinteren Wand. Das leise Gurgeln der Glykol-und-Wasser-Lösung, die in den Mänteln der Kühlanlage zirkulierte, wirkte beruhigend, während wir den Raum durchquerten.
Ryan zog unter einem langen Tisch, den wir für besondere Anlässe und private Feste nutzten, einen Stuhl hervor. Er setzte sich, warf seinen Aktenkoffer auf den Tisch und nahm einen Notizblock heraus.
»Wir nehmen die vierzig Spitzenangebote und versteigern sie während der Auktion.« Er begann, sich Notizen zu machen. »Alles andere kommt in eine silent auction , bei der schriftlich geboten werden kann. Für die vierzig Posten brauche ich ungefähr anderthalb Stunden. Danach werden die Leute unruhig und schlagen nicht mehr so leicht zu.«
Über seinem Kopf hing die Kreuzstichstickerei meiner Mutter an einem der Torbögen, die zu den eingelassenen Nischen führten. Darauf hatte sie eins ihrer Lieblingszitate von Platon verewigt: Nichts Vorzüglicheres noch Wertvolleres denn Wein wurde der Menschheit durch Gott zuteil.
Ich starrte auf die Stickerei und nickte. Ryan hatte Dinge zur Sprache gebracht, die mir nie in den Sinn gekommen wären. Gott sei Dank hatte er sich bereit erklärt, uns zu helfen, Honorar hin oder her.
»Wie lange sollten wir denn noch Spenden annehmen?«, fragte ich.
»Hören Sie bald damit auf. Ich muss die Klassifizierung vornehmen und festlegen, was wir in die Auktion nehmen. Und danach muss der Katalog zum Drucker.«
»Sunny Greenfield kümmert sich um den Drucker«, sagte ich. »Als Titelbild benutzen wir ein Gemälde meiner Mutter, das das
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