Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Botschafter

Der Botschafter

Titel: Der Botschafter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
Vom Netzwerk:
schliefen bis zum Spätnachmittag - Rebecca in dem überbreiten französischen Bett und Delaroche mit einer Bettdecke als Matratze auf dem Teppichboden. Er schreckte kurz vor 16 Uhr auf, wußte nicht gleich, wo er sich befand, und merkte, daß er wieder einmal von Maurice Leroux geträumt hatte.
    Delaroche ließ sich vom Zimmerservice Kaffee bringen, den er trank, während er mehrere Gegenstände in einen blauen Nylonrucksack packte: zwei hochmoderne elektronische Geräte, zwei Mobiltelefone, eine Stabtaschenlampe, Werkzeug und seine 9mm-Pistole. Als Rebecca aus dem Bad kam, trug sie Jeans, Tennisschuhe und ein Sweatshirt mit einem Foto des Weißen Hauses und der Aufschrift WASHINGTON, D.C.
    »Wie sehe ich aus?« fragte sie.
    »Du bist zu blond.« Delaroche griff in die Reisetasche und warf ihr eine Baseballmütze zu. »Setz die auf.«
    Delaroche rief bei der Rezeption an und bat darum, den Volvo vorzufahren. Auf der Ablage des Instrumentenbretts lag ein Stadtplan für Touristen, aber Delaroche machte sich nicht einmal die Mühe, ihn auseinanderzufalten; er hatte sich das Washingtoner Straßennetz ebenso gründlich eingeprägt wie die Gewässer der Chesapeake Bay.
    Er fuhr nach Georgetown hinüber und lenkte den Volvo durch stille, baumbestandene Straßen. Mit seinen Gehsteigen aus roten Klinkersteinen und den eleganten Stadthäusern galt dieser Stadtteil als das beste Wohnviertel der Hauptstadt, aber Delaroche, der Amsterdamer Giebelhäuser und Grachten gewöhnt war, erschien das alles recht prosaisch.
    Delaroche fuhr nach Westen weiter, bis er die Wisconsin Avenue erreichte. Dort bog er nach Süden ab, begleitet von dem wummernden Beat der Rapmusik aus dem goldfarbenen BMW
    hinter ihm. Als er auf die N Street abbog, blieb das verrückte Treiben auf der Wisconsin Avenue allmählich hinter ihnen zurück.
    Das Stadthaus der Osbournes war leer, wie Delaroche vermutet hatte. Botschafter Cannon würde morgen nachmittag aus London kommend in Washington eintreffen. Am Abend würde er für Freunde und Angehörige eine Dinner Party geben.
    Am nächsten Tag würde er an der Nordirlandkonferenz im Weißen Haus teilnehmen und abends die Empfange besuchen, die von den Konferenzteilnehmern gegeben werden würden.
    Das alles stand im Dossier des Direktors.
    Delaroche parkte in der nächsten Seitenstraße, der Thirtythird Street. Er hängte sich eine Kamera um, spazierte mit Rebecca am Arm die ruhige Straße entlang und blieb ab und zu stehen, um die eleganten Stadthäuser zu betrachten, aus deren Fenstern Licht auf die Straße fiel. Eigentlich wie in Amsterdam, sagte er sich - die Leute ließen ihre Vorhänge offen, so daß Vorbeigehende in die Häuser sehen und die Besitztümer abschätzen konnten.
    Er war schon einmal hier gewesen; er kannte die Probleme, die einen Mann wie ihn in der N Street erwarteten. Hier gab es keine Cafés, in denen man längere Zeit bei einem Kaffee sitzen konnte, keine Geschäfte, in denen man Einkäufe vortäuschen konnte, keine Plätze oder Parks mit Bänken, auf denen man als Zeitungsleser nicht weiter auffiel - nur große, teure Stadthäuser mit Alarmanlagen und neugierigen Nachbarn.
    Sie gingen am Haus der Osbournes vorbei. Auf der anderen Straßenseite parkte eine schwarze Limousine, in der ein Mann in einem beigen Trenchcoat saß und den Sportteil der Washington Post las. Soviel zu der Theorie des Direktors, daß der Botschafter während seines Aufenthalts in Washington leicht zu ermorden sein müßte, dachte Delaroche. Obwohl der Mann noch nicht einmal einen Fuß in die Stadt gesetzt hatte, wurde das Haus schon bewacht.
    Delaroche blieb an der nächsten Straßenecke stehen, um das Haus zu fotografieren, in dem John F. Kennedy als Senator von Massachusetts gewohnt hatte. Hier in Georgetown lebten einige Minister, deren Häuser unter ständiger Überwachung standen.
    Die Leibwächter von Männern wie dem Außenminister oder dem Verteidigungsminister, in deren Amtsbereich nationale Sicherheitsfragen fielen, hatten möglicherweise sogar einen ständig besetzten Posten in einer benachbarten Wohnung. Aber Delaroche war davon überzeugt, daß Douglas Cannons Personenschutz lediglich aus dem Mann in dem beigen Trenchcoat bestand - zumindest vorläufig.
    Er ging mit Rebecca auf der Thirtyfirst Street einen halben Straßenblock weit nach Süden, bis sie die Einmündung der hinter dem Haus der Osbournes vorbeiführenden schmalen Gasse erreichten. Ein Blick in die halbdunkle Gasse bestätigte seine

Weitere Kostenlose Bücher