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Der Botschafter

Der Botschafter

Titel: Der Botschafter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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auf einem Stapel leerer Futtersäcke; die kleinere Gestalt ging wie das personifizierte schlechte Gewissen hinter ihm auf und ab.
    »Entschuldigt den Gestank«, sagte Bates unbehaglich. »Ich rauche, um ihn zu überdecken. Darf ich?«
    Im Lichtschein des aufflammenden Streichholzes sah Bates, daß seine Besucher Sturmhauben trugen, die nur ihre Augen freiließen. Er führte die Flamme ans Ende seiner Zigarette, blies sie dann aus, und die Scheune versank erneut in Dunkelheit.
    »Wann bringt ihr mich hier raus?« fragte er.
    Vor der Hinrichtung Dillons war Bates versprochen worden, er werde aus Nordirland herausgebracht, sobald die Dinge sich etwas beruhigt hatten. Die UFB habe Freunde, die in einem einsamen Teil des schottischen Hochlands lebten und ihn bei sich aufnehmen würden, hatte man ihm gesagt. Dort würden die Sicherheitsdienste ihn nie finden.
    »Es wäre noch zu gefährlich, dich zu verlegen«, sagte der große Mann. »Die RUC hat ein Phantombild von dir herstellen lassen. Wir müssen abwarten, bis die Dinge sich ein bißchen mehr abgekühlt haben.«
    Bates stand ruckartig auf. »Jesus, in diesem Loch drehe ich durch! Könnt ihr mich nicht woanders unterbringen?«
    »Vorläufig bist du hier sicher. Wir dürfen nicht riskieren, dich noch mal zu verlegen.«
    Bates sank deprimiert auf sein Feldbett. Er ließ seine erst halb gerauchte Zigarette auf den festgestampften Lehmboden fallen und trat sie mit dem Schuhabsatz aus. »Was ist mit den anderen?« erkundigte er sich. »Mit den Agenten, die in London und Dublin im Einsatz gewesen sind?«
    »Die halten sich auch versteckt«, antwortete der Mann. »Mehr kann ich dazu nicht sagen.«
    »Hat schon jemand die Verantwortung übernommen?«
    »Wir haben's heute abend getan. Draußen ist der Teufel los - Straßensperren und Kontrollen vom County Antrim bis zur Grenze. Bevor die Aufregung nicht abgeklungen ist, können wir nicht mal daran denken, dich zu verlegen.«
    Bates riß erneut ein Streichholz an, das die Szene für einen Augenblick erhellte: die maskierten Besucher, einer sitzend, einer stehend, beide an Statuen in einem Park erinnernd. Er zündete sich eine weitere Zigarette an und blies das Streichholz aus.
    »Können wir dir irgendwas mitbringen, damit du dich weniger langweilst?«
    »Ein Mädchen mit lockerer Moral wäre nett.«
    Diese Bemerkung wurde schweigend aufgenommen.
    »Leg dich aufs Feldbett«, wies der Sitzende ihn erneut an.
    »Auf den Bauch.«
    Charles Bates tat wie ihm geheißen. Er hörte das Rascheln der Futtersäcke, als der große Mann mit den Tätowierungen auf den Händen aufstand. Und er hörte, wie das Scheunentor geöffnet wurde.
    Im nächsten Augenblick spürte er etwas Kaltes und Hartes, das an seinen Hinterkopf gedrückt wurde. Er hörte ein leises Klicken und sah einen gleißend hellen Lichtblitz, dann wurde es dunkel um ihn.
    Rebecca Wells steckte die Walther mit Schalldämpfer wieder in ihre Manteltasche, bevor sie in den Lieferwagen stieg. Gavin Spencer ließ den Motor an, wendete und fuhr auf dem mit Schlaglöchern übersäten Feldweg zur B177 zurück. Sie warteten, bis sie an der Farm vorbei waren, bevor sie ihre Sturmhauben abnahmen. Rebecca Wells starrte aus dem Fenster, während Spencer die kurvenreiche Strecke durch hügeliges Gelände rasch und sicher bewältigte.
    »Das hättest du nicht zu tun brauchen, Rebecca. Ich hätt's für dich getan.«
    »Willst du damit sagen, daß ich meinem Job nicht gewachsen bin?«
    »Nein, ich sage nur, daß das nicht recht ist.«
    »Was ist nicht recht?«
    »Daß eine Frau tötet«, sagte Spencer. »Das ist nicht recht.«
    »Und was ist mit Dame?« fragte Rebecca und gebrauchte dabei den Decknamen der Frau, die den Bombenanschlag auf die Londoner U-Bahn verübt hatte. »Sie hat mehr Menschen getötet als ich heute nacht, und sie hat außerdem ihr eigenes Leben geopfert.«
    »Ein gutes Argument.«
    »Ich bin für Aufklärung und innere Sicherheit zuständig«, sagte sie. »Kyle wollte ihn tot haben. Also ist's mein Job gewesen, ihn totzumachen.«
    Spencer verfolgte dieses Thema nicht weiter. Er stellte das Radio an, um sich die Zeit zu vertreiben. Er bog auf die AI ab und fuhr in Richtung Banbridge. Kurz darauf ächzte Rebecca:
    »Halt mal.«
    Er bremste und hielt auf dem Standstreifen an. Rebecca stieß ihre Tür auf und torkelte in den Regen hinaus. Sie fiel im Licht der Autoscheinwerfer auf Hände und Knie und übergab sich.


    WASHINGTON, D.C.
     
    Das Gespräch zwischen dem

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