Der Botschafter
meiner Familie Höllenqualen verursacht, und das verzeihe ich Ihnen nie. Aber ich verstehe, was Sie meinen. Ich verstehe jetzt alles.«
42
SHELTER ISLAND, NEW YORK
Als sie am Tor von Cannon Point vorfuhren, trat ein junger Wachmann namens Tom Moore aus dem Wachhäuschen. Moore war ein ehemaliger Ranger der U.S. Army mit breiten, muskulösen Schultern und kurzgeschnittenem blonden Haar.
»Entschuldigen Sie, daß ich nicht angerufen habe, Tom.«
»Kein Problem, Mr. Osbourne«, antwortete Moore. »Wir haben von der Sache mit dem Botschafter gehört, Sir. Natürlich drücken wir ihm alle die Daumen. Hoffentlich werden diese Schweinekerle bald geschnappt. Das Radio meldet, daß sie spurlos verschwunden sind.«
»So sieht's leider aus. Das hier ist ein Freund von mir«, sagte Michael und nickte zu Delaroche hinüber. »Er bleibt für ein paar Tage.«
»Ja, Sir.«
»Bitte kommen Sie mittags ins Haus rauf, Tom. Ich muß was mit Ihnen besprechen.«
»Ich will nichts damit zu tun haben«, sagte Adrian Carter.
»Übergib den Fall der Abteilung Spionageabwehr. Jesus, von mir aus kannst du ihn dem FBI übergeben, das ist mir egal. Aber sieh zu, daß du ihn loswirst, weil er jeden ins Unglück reißt, der sich damit befaßt.«
Carter und Michael waren entlang der Strandmauer mit Blick über den Sund unterwegs: mit gesenkten Köpfen und tief in den Jackentaschen vergrabenen Händen wie ein Suchtrupp, der eine Leiche sucht. Der Morgen war windstill und kalt, das Wasser stahlgrau. Carter trug dieselbe dicke Daunenjacke wie an jenern Nachmittag im Central Park, an dem er Michael bekniet hatte, in die Agency zurückzukommen. Eigentlich rauchte er nicht mehr, aber nach der Hälfte von Michaels Bericht hatte er eine Zigarette geschnorrt und mit gierigen Zügen geraucht.
»Sie ist die Direktorin der Central Intelligence Agency«, sagte Michael. »Die Spionageabwehr untersteht ihr. Und was das FBI betrifft ... wer zum Teufel will es in diese Sache hineinziehen?
Sie geht nur uns etwas an. Das Bureau würde uns die Geschichte noch jahrelang unter die Nase reiben.«
»Du hast wohl vergessen, daß Jack the Ripper dort oben dein einziger Zeuge ist?« fragte Carter, indem er zum Haus hinübernickte. »Du mußt doch zugeben, daß er ein gewisses Glaubwürdigkeitsproblem hat. Hast du wenigstens mal daran gedacht, er könnte die ganze Geschichte nur erfunden haben, damit du ihn nicht verhaftest?«
»Er hat nichts erfunden.«
»Woher willst du das wissen? Diese ganze Sache mit einem Geheimorden, der gegen den Weltfrieden arbeitet, kommt mir wie echter Bockmist vor.«
»Jemand hat diesen Mann letztes Jahr damit beauftragt, mich zum Schweigen zu bringen, weil ich im Fall Trans-Atlantic der Wahrheit gefährlich nahe gewesen bin. In der Agency haben nur zwei Leute von meinem Verdacht gewußt - du und Monica Tyler.«
»Na und?«
»Warum hat Monica mich letztes Jahr überhaupt aus der Agency gedrängt? Warum hat sie mir die Zuständigkeit für den Fall Oktober eine Woche vor dem Anschlag auf Douglas entzogen? Und das ist noch nicht alles. Delaroche hat gesagt, der Exekutivausschuß der Gesellschaft habe Anfang März auf Mykonos getagt. Monica ist zu dieser Zeit in Europa gewesen, um an einer regionalen Sicherheitskonferenz teilzunehmen.
Nach der Konferenz hat sie sich zwei Tage freigenommen und ist spurlos untergetaucht.«
»Jesus, Michael, ich bin Anfang dieses Monats auch mal in Europa gewesen!«
»Ich glaube, daß Delaroche die Wahrheit sagt, Adrian. Und du glaubst es auch.«
Sie verließen den Park von Cannon Point und gingen auf der Shore Road in Richtung Dering Harbor weiter.
»Würde die Geschichte öffentlich bekannt, wären die Folgen für die Agency katastrophal.«
»Ganz recht«, bestätigte Michael. »Die Agency würde Jahre brauchen, um sich von einem Schlag dieser Art zu erholen. Ihr Ruf in Washington - und sogar weltweit wäre praktisch ruiniert.«
»Was hast du also vor?«
»Ich will Monica mit den Beweisen konfrontieren und ihren Rücktritt erzwingen, bevor sie noch mehr Schaden anrichten kann. An ihren Händen klebt Blut, aber wenn wir die Sache öffentlich abhandeln, liegt die Agency bald in Trümmern.«
»Aus der Führungsetage kriegst du Monica höchstens mit einer Ladung Dynamit raus.«
»Wenn's sein muß, stelle ich den Aktenkoffer mit Dynamit selbst dort ab.«
»Warum zum Teufel hast du mich in die Sache hineingezogen?«
»Weil du der einzige bist, dem ich vertraue. Du bist mein
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