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Der Botschafter

Der Botschafter

Titel: Der Botschafter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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damals den Auftrag gehabt, russische Agenten anzuwerben. Michaels Vater war der Ansicht gewesen, Wheaton besitze nicht genug Menschenkenntnis und Gerissenheit, um ein guter Agentenführer zu sein, und hatte eine vernichtende Beurteilung über ihn geschrieben, die fast das Ende seiner Laufbahn bedeutet hätte.
    Die Agency beschloß, Wheaton eine zweite Chance zu geben; Männer wie Wheaton, Männer mit der richtigen Abstammung, der richtigen Universität und dem richtigen Rabbi bekamen immer eine zweite Chance. Er wurde als Stationschef in Luanda ins südliche Afrika abgeschoben. Ein halbes Jahr später wurde er auf der Fahrt zu einem Treff mit einem Agenten an einer Straßensperre von der Polizei kontrolliert. Im Handschuhfach lag sein »schwarzes Buch« - mit den Namen, Kontaktverfahren und Bezahlungsterminen sämtlicher CIA-Agenten in Angola.
    Wheaton wurde zur Persona non grata erklärt und mußte das Land verlassen; seine Agenten wurden bis zum letzten Mann verhaftet, gefoltert und hingerichtet. Der Tod von vierzehn Männern schien nie allzu schwer auf Wheatons Gewissen zu lasten. In seinem eigenen Bericht über das Desaster schob er seinen Agenten die Schuld dafür zu, im Verhör nicht besser dichtgehalten zu haben.
    Die Agency zog Wheaton schließlich aus dem Außendienst ab und beschäftigte ihn in der sowjetischen Abteilung der Zentrale, wo er in der von Diffamierungen lebenden, Pfeife rauchenden Bürokratie Karriere machte. London war der Höhepunkt einer insgesamt wenig bemerkenswerten - und in mancher Beziehung katastrophalen - Laufbahn. Wheaton führte die Station, als sei er persönlich mit ihr belehnt worden. Michael hatte schon mehrmals gehört, Untergebene Wheatons wollten gemeinsam gegen ihn rebellieren. Im Sprachgebrauch der Agency wurde der »Chief of Station« mit cos abgekürzt, aber für das Personal der hiesigen Station bedeutete cos die Abkürzung für »Cocksucker«.
    »Na, wenn das nicht unser Held von Heathrow ist«, sagte Wheaton, als Michael in die Kutsche stieg und sich auf der hölzernen Sitzbank niederließ. Bei einem Terroranschlag auf dem Flughafen hatte Michael einen Attentäter erschossen und einen weiteren überwältigt. Die Agency hatte ihm dafür eine Tapferkeitsauszeichnung verliehen, was Wheaton ihm nie vergessen würde.
    »Wie geht's immer, David?«
    »Ich dachte, Sie seien pensioniert.«
    »Das bin ich auch gewesen, aber Sie haben mir gefehlt, also bin ich zurückgekommen.«
    »Wir müssen miteinander reden.«
    »Darauf freue ich mich schon.«

    »Das kann ich mir vorstellen.«
    Passanten und Touristen gafften, als die drei Kutschen im dichten Mittagsverkehr vom Grosvenor Square zur Park Lane, um Hyde Park Corner und den Constitution Hill hinunter fuhren.
    Sie schienen enttäuscht zu sein, daß sie keine aufregenden Mitglieder des Königshauses, sondern nur eine Gruppe ältlicher Diplomaten zu sehen bekamen.
    Als die Kutschen durchs Tor des Buckingham-Palasts fuhren, stimmte eine kleine Militärkapelle - dieselbe Kapelle, die jeden Wachwechsel begleitet - schmissig den »Yankee Doodle Dandy« an. Douglas Cannon stieg aus seiner Kutsche und wurde vom Privatsekretär der Königin und dem Protokollchef des Außenministeriums begrüßt.
    Die beiden begleiteten ihn in den Palast, die breite Treppe hinauf und durch eine Reihe prunkvoller Salons, im Vergleich zu denen Winfield House geradezu ärmlich wirkte. Michael und die drei ranghohen Botschaftsangehörigen folgten ihnen mit einigen Schritten Abstand. Schließlich erreichten sie eine zweiflüglige Doppeltür, vor der sie einen Augenb lick warten mußten. Dann wurde irgendwo ein verstecktes Zeichen gegeben, und die Türflügel öffneten sich.
    Königin Elisabeth II. stand in der Mitte des höhlenartigen Empfangssaals. Sie trug ein dunkelblaues Kostüm und hatte ihre unvermeidliche Handtasche am linken Arm hängen. Sir Patrick Wright, der beamtete Staatssekretär im Außenministerium, stand neben ihr. Douglas, dessen Begleitung im Vorraum zurückblieb, durchquerte den Saal ein wenig zu rasch und machte eine korrekte Verbeugung vor der Königin. Er reichte ihr den Umschlag mit seinem Beglaubigungsschreiben und sprach dabei die vorgeschriebenen Worte: »Ich habe die Ehre, Euer Majestät, Ihnen das Rückrufschreiben meines Vorgängers und mein Beglaubigungsschreiben zu überreichen.« Königin Elisabeth II.
    nahm den Umschlag und gab ihn, ohne hineinzuschauen, an Sir Patrick weiter.

    »Ich bin sehr erfreut, daß Präsident Beckwith

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