Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Botschafter

Der Botschafter

Titel: Der Botschafter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
Vom Netzwerk:
Agenten zu sprechen, entsprach sehr gut seinem Bild von sich selbst.
    »Wollen Sie ihn für Zwecke der Sonderkommission befragen, sollte sein Führungsoffizier von der Station London diese Befragung durchführen.«
    »Harbinger ist mein Agent gewesen«, sagte Michael, indem er korrekterweise Maguires Decknamen benützte. »Ich habe ihn angeworben, und ich habe ihn geführt. Ich habe ihn dazu überredet, uns Informationen zu liefern, die vielen Menschen das Leben gerettet haben. Ich werde mich mit ihm treffen.«
    »Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt für eine Reise in die Vergangenheit, vor allem nicht in einer Stadt wie Belfast.
    Warum teilen Sie Harbingers Führungsoffizier nicht mit, was Sie brauchen? Er kann hinfliegen und sich mit ihm treffen.«
    »Weil ich selbst mit ihm reden will.«
    »Michael, ich weiß, daß wir Meinungsverschiedenheiten gehabt haben, aber dieser Ratschlag ist wirklich ernstgemeint. Sie sitzen jetzt am Schreibtisch, Sie sind kein Außendienstmann mehr. Sie sind achtundvierzig Jahre alt und wären vor einem Jahr beinahe ermordet worden. Das würde jeden von uns aus dem Tritt bringen. Lassen Sie mich meinen Mann zu dem Treff mit Harbinger schicken.«
    »Ich bin nicht aus dem Tritt gekommen«, widersprach Michael. »Und was Nordirland betrifft, hat es sich seit vierhundert Jahren nicht mehr verändert. Ich komme dort drüben so gut zurecht wie früher, denke ich.«
    Sie traten auf den in hellem Sonnenschein liegenden Hof hinaus.
    »Harbinger will, daß der Treff nach Ihrem alten Verfahren abläuft«, sagte Wheaton. »Hat er sich innerhalb von zwei Tagen nicht gemeldet, um einen Termin zu vereinbaren, sollen Sie Belfast verlassen. Haben Sie verstanden?«
    »Natürlich, David.«
    »Und wenn Sie Scheiß machen, hole ich mir Ihren Skalp!«

17 
    BELFAST

    Flüge nach Nordirland starten von einem abgetrennten Teil im Terminal Eins auf dem Flughafen Heathrow aus, wo die Fluggäste rigorose Sicherheitskontrollen durchlaufen, bevor sie an Bord ge hen dürfen. Michael gab sich als Journalist aus, der für eine Zeitschrift über die Schönheiten Ulsters berichten sollte.
    Während des Flugs las er Nordirlandführer und studierte Landkarten. Der englische Geschäftsmann neben ihm wollte wissen, ob er schon einmal in Belfast gewesen sei. Michael antwortete dümmlich lächelnd, dies sei sein erster Besuch. Die Maschine passierte Liverpool und flog auf die Irische See hinaus. Der Pilot teilte mit, sie hätten soeben den Luftraum des Vereinigten Königreichs verlassen und würden in fünfundzwanzig Minuten in Belfast landen. Michael mußte heimlich lachen; selbst die Briten schienen manchmal zu vergessen, daß Nordirland in Wirklichkeit ein Teil des Vereinigten Königreichs war.
    Das Flugzeug ging durch aufgelockerte Bewölkung tiefer.
    Nordirland gleicht einer weitläufigen Farm, auf deren Gebiet es zwei Großstädte, Belfast und Londonderry, und Hunderte von Kleinstädten, Dörfern und Weilern gibt. Das Land ist in Tausende von quadratischen Feldern eingeteilt, die teils smaragdgrün, teils limonen-oder olivenfarben, teils fahlbraun sind.
    Im Osten, wo der Belfast Lough sich zur Irischen See hin öffnet, sah Michael für einen Augenblick die Burg Carrickfergus aufragen. Belfast liegt am Fuß des Black Mountains zu beiden Seiten des Loughs. Einst war die Stadt ein blühendes Zentrum der Leinen-und Werftindustrie gewesen - die Titanic war in Belfast gebaut worden -, aber nun sah sie wie jede andere britische Industriestadt aus, die schwere Zeiten durchmacht: wie ein rauchgeschwängertes Labyrinth aus Terrassenhäusern in Klinkerbauweise.

    Die Maschine landete auf dem Flughafen Aldergrove.
    Michael hielt sich noch einige Zeit im Ankunftsgebäude auf, um zu sehen, ob er vielleicht beschattet wurde. Er trank Tee in einem Café und sah sich im Souve nirladen um. Bücher über den Nordirlandkonflikt nahmen eine ganze Wand ein. Grellbunte TShirts und Baseballmützen verkündeten NORTHERN IRELAND!, als handle es sich um Cannes oder Jamaika.
    Der Wind riß Michael fast den Mantel vom Leib, als er ins Freie trat. Er ging am Taxistand vorbei und bestieg einen Ulster Bus, um zur Stadtmitte zu fahren. Belfast beschwört Bilder von Bürgerkriegsszenen mit dem Geruch von Pulverdampf und Kordit herauf, aber das erste, was Michael roch, war der Gestank von Mist. Der Bus passierte eine Straßensperre, an der zwei Ruc-Beamten einen Lieferwagen auseinandernahmen. Eine Viertelstunde später erreichte er das

Weitere Kostenlose Bücher