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Der Botschafter

Der Botschafter

Titel: Der Botschafter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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hinunter.
    »Was ihr Amerikaner nicht begreift, ist die Tatsache, daß es hier nie Frieden geben wird. Wir hören vielleicht für einige Zeit auf, uns gegenseitig umzubringen, aber ansonsten ändert sich hier nichts. Hier ändert sich nie etwas.« Er schnippte seine Zigarette über den Straßenrand und beobachtete, wie sie als glühender Punkt in der Dunkelheit verschwand. »Aber du bist bestimmt nicht aus Amerika gekommen, um dir mein Geschwätz über Politik und das Versagen der Irish Republican Army anzuhören.«
    »Bestimmt nicht. Ich will wissen, wer Eamonn Dillon ermordet hat.«
    »Das wüßte die IRA auch verdammt gern.«
    »Was weißt du darüber?«
    »Nach der Ermordung Dillons haben die Jungs vom Intelligence Unit sich sofort an die Arbeit gemacht. Sie haben vermutet, er sei von einem Sinn-Fein-Mitglied verraten worden, weil der Killer genau zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen ist. Die Loyalisten hätten ihn in Falls beschatten, jede seiner Bewegungen registrieren können, aber das war nicht sehr wahrscheinlich. Für sie ist es schwierig, in Falls zu operieren, und Dillon hat sorgfaltig darauf geachtet, seine Bewegungsmuster abzuwandeln.«
    »Was ist dann passiert?«
    »Die IRA Intelligence hat die Sinn-Fein-Zentrale auf den Kopf gestellt. Die Jungs haben jeden Quadratzentimeter nach Wanzen und Minikameras abgesucht. Sie haben das Personal und die Freiwilligen mächtig unter Druck gesetzt - und es hat sich gelohnt.«
    »Was haben sie entdeckt?«
    »Eine der Freiwilligen, ein Mädchen namens Kathleen, die in der Zentrale Telefondienst gemacht hat, hatte sich mit einer Protestantin angefreundet.«
    »Weißt du, wie sie heißt?«
    »Sie hat sich Stella genannt. Kathleen hat geglaubt, wegen des Friedensabkommens sei gegen ihre Freundschaft mit Stella nichts einzuwenden. Die IRA hat sie richtig in die Mangel genommen. Dabei hat sie zugegeben, Stella Einzelheiten über die Führungsspitze der Sinn Fein, auch über Eamonn Dillon, erzählt zu haben.«
    »Ist Kathleen noch unter uns?«
    »Mit knapper Not«, antwortete Maguire. »Dillon ist in der IRA sehr beliebt gewesen. In den siebziger Jahren hat er der Belfast Brigade angehört. Er hat unter Gerry Adams gedient. Nach einer Verurteilung wegen Waffenschmuggels hat er zehn Jahre in ›The Maze‹ gesessen. Die IRA war kurz davor, Kathleen mit eine m Genickschuß zu liquidieren, aber Gerry Adams hat eingegriffen und ihr das Leben gerettet.«

    »Kathleen hat der IRA vermutlich eine Beschreibung dieser Stella geliefert?«
    »Groß, sehr attraktiv, schwarzes Haar, graue Augen, markante Backenknochen, energisches Kinn. Leider ist das schon alles, was die IRA über sie weiß. Stella ist ein echter Profi und verdammt vorsichtig gewesen. Sie hat sich mit Kathleen nie an Orten getroffen, die von Kameras der Sinn Fein überwacht werden.«
    »Was weiß die IRA über die Ulster Freedom Brigade?«
    »Praktisch nichts«, antwortete Maguire. »Aber eines kann ich dir sagen: Die IRA hält nicht mehr endlos lange still. Wenn die Sicherheitsbehörden es nicht schaffen, diese Sache unter Kontrolle zu bringen - und zwar bald -, ist hier in Belfast die Hölle los.«
    Michael setzte ihn an der Kreuzung zwischen Divis Street und Millfield Road ab. Maguire stieg aus und verschwand wieder in Falls, ohne sich noch einmal umzusehen. Michael fuhr die wenigen Straßenblocks zum Europa zurück und überließ seinen Leihwagen dem Parkwächter des Hotelparkplatzes. Von Maguire hatte er nicht allzuviel erfahren, aber es war immerhin ein Anfang. Die Ulster Freedom Brigade schien über einen effizienten Nachrichtendienst zu verfügen, und eine ihrer Agentinnen war eine große Schwarzhaarige mit grauen Augen.
    Michael war sehr mit sich selbst zufrieden; nach langer Zeit an der Auslinie war er wieder einmal im Einsatz gewesen und hatte ein erfolgreiches Geheimtreffen mit einem Agenten hinter sich.
    Jetzt mußte er dringend nach London zurück und von dort aus die Zentrale in Langley informieren.
    Es war schon spät, aber er war hungrig und zu aufgedreht, um in seinem Hotelzimmer bleiben zu können. Die junge Frau an der Rezeption empfahl ihm das Arthur's in einer Seitenstraße der Great Victoria Street. Dort saß Michael an einem kleinen Tisch in der Nähe des Eingangs hinter seinem Schutzwall aus Reiseführern.
    Er aß ein irisches Steak mit Kartoffeln und einer gehaltvollen Käse-Sahne-Sauce und spülte das Ganze mit einem halben Liter anständigen Rotwein hinunter. Es war fast elf, als er

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