Der Bourne Betrug
Aziz trank einen kleinen Schluck von seinem Tee.
»Drängt dein rechter Glaube dich zu Taten, Bruder? Oder sind deine Worte die eines Kaffeehausphilosophen?«
»In Sharm el-Sheikh und Gaza habe ich das Blut von Ungläubigen vergossen.«
»Einzelleistungen sind lobenswert«, meinte Muta ibn Aziz nachdenklich, »aber je machtvoller die Organisation, desto mehr Schaden kann sie unseren Feinden zufügen.«
»Richtig!« Zeit für den Köder , dachte Bourne. »Ich habe wieder und wieder daran gedacht, mich der Dujja anzuschlieÃen, aber dann hat mich stets die gleiche Ãberlegung davon abgehalten â¦Â«
Der Styroporbecher mit Tee machte auf halber Strecke zu Muta ibn Azizâ Lippen halt. »Und die wäre?«
Langsam, langsam , ermahnte Bourne sich. »Ich weià nicht, ob ich dir das sagen darf, Bruder. SchlieÃlich kennen wir uns erst seit vorhin. Deine Absichten â¦Â«
»Sind dieselben wie deine«, beteuerte Muta ibn Aziz uncharakteristisch lebhaft. »Das kann ich dir versichern!«
Trotzdem zögerte Bourne noch, wirkte unschlüssig.
»Istâs nicht wahr, dass wir von einer identischen Philosophie gesprochen haben, Bruder? Istâs nicht wahr, dass unsere Weltsicht, unsere Erwartungen an die Zukunft sich ähnlich sind?«
»Ja, natürlich.« Bourne schob die Unterlippe vor. »Also gut, Bruder. Aber ich warne dich: Hast du mich in Bezug auf deine Absichten getäuscht, spüre ich dich auf, das schwöre ich dir, und bestrafe dich, wie duâs verdienst.«
»La ilaha ill allah . Jedes meiner Worte war die absolute Wahrheit.«
Bourne sagte: »Der Führer der Dujja war in London mein Schulkamerad.«
»Ich weià nicht â¦Â«
»Bitte! Ich habe nicht die Absicht, Fadis richtigen Namen
zu nennen. Aber da ich ihn kenne, besitze ich Informationen über die Familie, die andere nicht haben.«
Muta ibn Azizâ bisher nur gespielte Neugier war nun echt. »Wieso ist das dabei hinderlich, sich für die Dujja zu engagieren?«
»Nun, das liegt an dem Vater, weiÃt du. Oder genauer gesagt an seiner zweiten Frau. Sie ist Engländerin. Und sie ist Christin, was noch schlimmer ist.« Bourne schüttelte den Kopf und setzte eine grimmige Miene auf, die seinen scharfen Tonfall noch verstärkte. »Einem wahren Gläubigen istâs verboten, mit jemandem befreundet zu sein, der nicht an Allah und seinen Propheten glaubt. Aber dieser Mann hat eine Ungläubige geheiratet, hat mit ihr Kinder gezeugt. Fadi ist sein Abkömmling. Sag mir, Bruder, wie kann ich jemanden wie ihn als Führer anerkennen? Wie kann ich ihm ein einziges Wort glauben, wenn er den Teufel im Leib hat?«
Muta ibn Aziz wirkte leicht erschrocken. »Und trotzdem hat Fadi so viel für unsere Sache getan.«
»Das lässt sich kaum leugnen«, bestätigte Bourne. »Aber betrachtet man die Sache einmal nach den MaÃstäben des Bluts â die sich weder ignorieren noch verleugnen lassen, wie wir beide wissen â, gleicht Fadi meiner Ãberzeugung nach einem Tiger, der aus dem Dschungel geholt, in eine neue Umgebung gebracht und von tierlieben Menschen aufgezogen wird. Trotzdem istâs nur eine Frage der Zeit, wann der Tiger seiner Natur folgend über die Menschen herfällt, die ihn aufgezogen haben, und sie auffrisst.« Er schüttelte erneut den Kopf, diesmal mit völlig glaubwürdiger kummervoller Miene. »Es ist ein Fehler, die Natur des Tigers ändern zu wollen, Bruder. Das steht auÃer Zweifel.«
Muta ibn Aziz drehte den Kopf zur Seite, um verdrieÃlich aufs Meer hinauszustarren, wo Büyük Ada wie Atlantis oder die zeitlose Insel eines längst vergessenen Kalifen aus der See
aufstieg. Er wollte etwas sagen, um die Behauptungen des anderen zu widerlegen, fand aber irgendwie nicht die rechten Worte.
Umso deprimierender , dachte er, die Wahrheit aus dem Mund dieses Mannes hören zu müssen .
Â
Soraya wusste kaum noch, wo ihr der Kopf stand â nicht nur wegen ihrer gewaltsamen Flucht vor dem Lincoln Aviator, sondern auch wegen Anne Helds Verrat. Das Blut drohte ihr in den Adern zu gefrieren. GroÃer Gott, was hatten sie selbst und andere ihr im Lauf der Jahre alles anvertraut? Wie viele Geheimnisse hatte sie an die Dujja weitergegeben?
Sie fuhr ihren rollenden Sarg ganz mechanisch, ohne recht wahrzunehmen, was sie tat. Die Farben
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