Der Bourne Betrug
du?« Er zog ein Messer, hielt Bourne die lange Klinge an die Kehle. »Antworte, verdammt noch mal, sonst zerlege ich dich wie eine Weihnachtsgans. Kennst du Weihnachten? Ha?«
Bourne sah mit starrem Blick zu ihm auf, öffnete den Mund und murmelte rasch etwas Unverständliches.
»Was?« Der Pilot beugte sich tiefer über ihn. »Was hast du gesagt?«
Indem Bourne die Kraft seines Unterleibs nutzte, streckte er die Beine senkrecht in die Luft und klemmte den Kopf des Piloten zwischen den FuÃknöcheln ein. Mit einem Ruck riss er ihn zu sich herunter. Der Kopf des Mannes prallte mit solcher Gewalt auf den Steinboden, dass sein Backenknochen zersplitterte. Er war sofort bewusstlos.
Um das Messer auf der anderen Seite der Ringe hinter seinem Kopf auf dem Steinboden zu sehen, musste Bourne sich den Hals verrenken. Er zog die Beine an, rollte sich zu einer Kugel zusammen und wippte vor und zurück, um Schwung zu holen. Als er genügend Schwung zu haben glaubte, warf er sich mit aller Gewalt rückwärts. Obwohl er weiter an die Eisenringe gefesselt blieb, machte er einen Ãberschlag rückwärts und landete hinter den Ringen auf den Knien.
Indem er ein Bein ausstreckte, konnte er das Messer mit dem Schuh erreichen und so über den Steinboden gleiten lassen,
dass es gegen den Eisenring mit seiner rechten Hand klirrte. Als er jetzt den Ring flach zu Boden drückte, gelang es ihm, das Messer zu erfassen. Er drückte die Klinge gegen den Strick, mit dem sein Handgelenk gefesselt war, und machte sich daran, ihn durchzusägen.
Das war Schwerstarbeit in verkrampfter Haltung. Weil er kaum Druck ausüben konnte, kam er nur sehr langsam voran. Von seinem Platz aus konnte er den Bildschirm des Empfängers nicht sehen; er hatte also keine Ahnung, wo Muta ibn Aziz sich aufhielt. Vielleicht würde Fadis Kurier schon im nächsten Augenblick den Raum betreten.
Endlich hatte er den Strick durchtrennt. Wenige Sekunden später war auch seine linke Hand frei. Als Erstes stürzte er sich auf den Empfänger. Der Lichtpunkt, der Muta ibn Aziz bezeichnete, war noch ziemlich weit weg.
Bourne wälzte den Piloten auf den Rücken, entkleidete ihn systematisch und zog Stück für Stück seine Sachen an, obwohl das Hemd zu klein und die Hose zu groà war. Nachdem er sich so gut wie möglich verkleidet hatte, zog er seinen Rucksack mit den in Istanbul gekauften Schminkutensilien zu sich heran. Vor dem Taschenspiegel, den er so auf den FuÃboden stellte, dass er sein Gesicht darin sah, nahm er als Erstes die Zahnprothese heraus. Langsam verwandelte er sich in den Piloten.
Er schnitt sich die Haare, änderte seine Frisur, schminkte sich etwas dunkler und benutzte eine andere Prothese, die seinen Unterkiefer länger erscheinen lieÃ. Er hatte keine farbigen Kontaktlinsen, aber im Dunkel der Nacht würde die falsche Augenfarbe hoffentlich nicht auffallen. Zum Glück konnte er die Schirmmütze des Piloten tief in die Stirn gezogen tragen.
Nach einem weiteren Blick auf die Anzeige durchsuchte er Geldbörse und Fliegerjacke des Mannes. Der gebürtige Amerikaner hieà Walter B. Darwin und trug drei Pässe bei sich, die
ihn als Bürger verschiedener afrikanischer Staaten auswiesen. Dafür hatte Bourne Verständnis. Auf einem Oberarm hatte er eine Bikinischönheit eintätowiert, auf der anderen die Worte FUCK YOU, TOO. Wie er dazu gekommen war, mit Terroristen durch die Welt zu fliegen, blieb ein Rätsel. Allerdings war das nicht mehr wichtig. Walter B. Darwins Laufbahn als Himmelscowboy war zu Ende. Bourne schleppte den Nackten nach nebenan und deckte ihn mit einer staubigen Plane zu.
Im Hauptraum beugte er sich über den Tisch, faltete die Karte mit der Flugroute zusammen. Unterdessen war es 19.40 Uhr. Während er den Lichtpunkt auf der Anzeige im Auge behielt, steckte er die Karte in seinen Rucksack, nahm eine der Petroleumlampen mit und machte sich auf die Suche nach dem Flugplatz.
Â
Anne wusste, dass Soraya zu clever war, um auch nur in die Nähe ihrer Wohnung zu kommen. Indem sie sich als Kim Lovett â Sorayas Freundin bei der Washingtoner Feuerwehr â ausgab, rief sie Tim Hytners Mutter und auch seine Schwester an. Keine der beiden hatte etwas von Soraya gehört, seit sie bei ihnen gewesen war, um ihnen schonend beizubringen, dass Tim im Dienst erschossen worden war. Wäre Soraya bei ihnen gewesen, hätte sie
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