Der Bourne Verrat: Roman (German Edition)
erfahren, und so blieb sie bei ihrer Tante, bis sie den Jungen zur Welt gebracht hatte. Wie vereinbart, gab sie ihn Maceo, damit er ihn aufzog.«
Don Fernando zertrat den Zigarrenstummel und ging zu dem Kampfjet hinüber. Bourne vermutete, dass sein Freund am Ende seiner Beichte angelangt war.
»Ich bekam das aber nicht mehr direkt mit. Ich hatte Mexico City in der Nacht verlassen, nachdem ich zum letzten Mal mit ihr gebumst hatte. Entschuldige die Ausdrucksweise, aber das war es, was Constanza tat: bumsen. Um Liebe ging es ihr nie.« Er zuckte mit den Achseln. »Vielleicht war das ein Grund, warum ich sie so unwiderstehlich fand. Man konnte nie glauben, was aus ihrem Mund kam. Sie war eine so unglaubliche Lügnerin. Viel später kam mir der Verdacht, dass sie ihre eigenen Lügen geglaubt hat.«
»Das macht sie so überzeugend.«
»Genau.« Don Fernando steckte die Hände in die Taschen. Er zitterte, so sehr wühlten ihn die Erinnerungen auf. »Trotzdem wollte ich sie mehr als jede andere Frau, die mir je begegnet ist.« Er blickte zum Nachthimmel hinauf, der vom Licht des Eiffelturms erhellt war. »Martha Christiana hat mich an Constanza erinnert. Sie hatte so ein gewisses … ich weiß nicht … als wären sie aus dem gleichen Holz geschnitzt.«
»Es hat dich getroffen, Martha zu verlieren.«
»Ich habe sie umgebracht, Jason. Das beschäftigt mich immer noch. Vielleicht wollte ich sie zu sehr. Als würde sie es irgendwie wiedergutmachen, dass mir Maceo Encarnación Constanza weggenommen hatte.«
Bourne dachte sich, dass Constanza genauso dafür verantwortlich war wie Maceo Encarnación. Andererseits hatte sich dieses menschliche Drama in Mexico City abgespielt, wo alles möglich zu sein schien.
»Ich muss los, Don Fernando.«
»Ich weiß.«
Sie schüttelten einander die Hände. Bourne stieg ins Cockpit der Mirage, die Leiter wurde entfernt, und Don Fernando trat zurück und schritt über das Rollfeld, ohne den Blick von der Mirage zu wenden, als sie über die Startbahn schoss, die Nase hob und hochstieg, um am Nachthimmel zu verschwinden.
»Sie nehmen sie in Gewahrsam.«
»Das war mein Vorschlag, ja.«
Li stand vor seiner Wohnungstür und sah Ann Ring fest in die Augen. »Es gibt keinen anderen Weg?«
»Welchen Weg sollte es geben?«
Sie standen dicht beieinander und sprachen im Flüsterton.
»Sie wissen, was ich meine.« Li leckte sich über die Lippen. »Was mit Charles passiert ist. Ein Einbruch, ein unglücklicher Todesfall.«
Ann Ring trat einen Schritt zurück. »Bei einem Mord mache ich nicht mit, Li. Ich kann’s nicht glauben, dass Sie so etwas auch nur denken können.«
Er atmete tief durch und schnaubte wie ein Pferd. »Es gibt da Leute mit scharfen Ohren. Ich kann es mir nicht leisten, meinen Ruf ruinieren zu lassen.«
»Glauben Sie mir, Li, das werde ich nicht zulassen.« Ann deutete mit einer Kopfbewegung auf die Wohnungstür. »Sie sind sicher, dass sie da ist?«
»Sie schläft immer zwischen den Fotoshootings.«
»Gut, dann los.«
Er zögerte einen Augenblick, steckte den Schlüssel ins Schloss, öffnete die Tür und trat ein. Es war still und dunkel in der Wohnung. Sie schlichen von einem Zimmer zum nächsten, bis sie zu seinem Schlafzimmer kamen. Natasha Illion lag im Bett und schlief fest. Sie lag auf der Seite, Wange und Wimpern vom sanften Licht einer Nachttischlampe erhellt.
»Sie ist wie ein Kind«, flüsterte Li Ann ins Ohr. »Sie kann nicht einschlafen, wenn es völlig dunkel ist.«
Ann nickte und forderte ihn mit einer Kopfbewegung auf, ins Wohnzimmer zurückzugehen, damit sie Hendricks’ Agenten rufen konnte, die Tasha festnehmen würden. Li tappte in die Küche, um sich ein Glas Wasser zu holen. Sie war mitten in ihrem Bericht an Hendricks, als Li an ihr vorbeistürmte und ins Schlafzimmer rannte.
»He, wohin …?« Ohne das Gespräch zu beenden, lief sie hinterher und sah gerade noch, wie er mit einem langen Tranchiermesser zustieß, das er aus der Küche geholt haben musste.
Ann schrie, als er die Klinge zwischen Tashas perfekte Schulterblätter rammte. Das Mädchen krümmte sich, vom Schmerz und Schock aus dem Schlaf gerissen. Ann rannte zu Li, doch der hatte das Messer schon wieder herausgezogen und stieß es dem Mädchen in den Hals.
Ann schrie ihn an und zog ihn zurück. Das Blut floss in Strömen, und Ann erkannte rasch, dass sie nichts mehr für das Mädchen tun konnte. Dennoch versuchte sie es minutenlang, während Li reglos wie eine Statue dastand,
Weitere Kostenlose Bücher