Der Bourne Verrat: Roman (German Edition)
gelangte man durch eine Reihe von Glastüren auf eine riesige Veranda mit teuren Korbstühlen, Glastischen und livrierten Kellnern, die Highballs, Gin Tonics und Mint Juleps zu den Mitgliedern hinaustrugen, die über Aktienkurse und ihre Bentleys plauderten. Eine Atmosphäre, die Peter Übelkeit verursachte.
Er sah Richards hereineilen und trat hinter eine Zimmerpalme, wie in einem Filmklassiker mit Sydney Greenstreet aus den Vierzigerjahren. Er blickte sich im Saal um, doch er sah weder den Präsidenten noch die Agenten des Secret Service, die sich – wären sie anwesend – diskret im Raum verteilt hätten.
Er folgte Richards und beobachtete, wie er sich in einen Ohrensessel setzte, einem Mann gegenüber, von dem Marks nur das silbergraue Haar sah. Er ging ein Stück die Wand entlang, doch gerade als das Gesicht des Mannes, dem Richards gegenübersaß, in sein Sichtfeld trat, tippte ihm jemand auf die Schulter. Er drehte sich um und blickte in stahlgraue Augen, eine spitze Nase und schmale Lippen, die kein bisschen Freundlichkeit ausstrahlten. Als Peter sich losreißen wollte, drückte ihm der Mann etwas Scharfes in die Seite: die Spitze eines Springmessers.
»Die Atmosphäre hier drin ist ungesund für Sie«, sagte der Mann. Er hatte dunkles, glatt zurückgekämmtes Haar, das bis zum Kragen reichte. Sein Englisch verriet einen leichten Akzent, den Peter nicht auf Anhieb zuordnen konnte. »Was halten Sie davon, wenn wir ein bisschen rausgehen?«
»Ich bleibe lieber hier«, sagte Peter und zuckte zusammen, als sich die Messerspitze durch die Kleider bohrte und seine Haut ritzte.
Die stahlgrauen Augen nahmen einen eisigen Ausdruck an. »Ich fürchte, das entscheiden nicht Sie.«
6
»Eine Geschichte hat immer zwei Seiten«, sagte Rebekka.
»Manchmal auch drei oder vier«, meinte Bourne.
Sie lächelte. »Trink deinen Grog.«
Bourne saß in trockenen Kleidern am Kamin und sah Alef an – oder Manfred Weaving, wie Rebekka meinte. Weaving lag auf einer Matratze, die Rebekka aus einem Nebenzimmer geholt hatte. Sie hatte ihm die gefrorenen Kleider heruntergeschnitten, wie sie es zuvor bei Bourne gemacht hatte. Dann hatte sie ihm Hemd und Hose angezogen und ihn in eine Wolldecke gehüllt. Er atmete gleichmäßig, war jedoch immer noch bewusstlos.
Bevor sie von dem zugefrorenen See aufgebrochen waren, hatte Rebekka noch Ze’ev vom Eis ins Wasser gerollt. Er sank so entschlossen in die Tiefe wie ein Taucher mit einem Bleigürtel.
»Wir sollten ihn ins Krankenhaus bringen.«
Rebekka saß mit überkreuzten Beinen neben Bourne. »Das wäre nicht klug.«
»Lass mich wenigstens einen Freund von mir in Stockholm anrufen. Er kann uns …«
»Nein«, erwiderte sie, keinen Widerspruch duldend. In dieser Situation würde sie entscheiden, wie sie vorgingen.
Bourne nahm einen kräftigen Schluck von dem heißen Grog. Der Aquavit, mit dem Rebekka nicht gespart hatte, brannte sich durch die Kehle und in den Magen hinunter. Er wärmte ihn augenblicklich. Bourne hätte am liebsten auch Weaving etwas davon eingeflößt. »Was ist, wenn er es nicht schafft?«
»Ich habe ihm Antibiotika gegeben.« Sie beugte sich vor und hob die Decke von den Beinen. »Ein paar Zehen müssen vielleicht abgenommen werden.«
»Wer soll das machen?«
»Ich mache das.« Sie deckte den Mann wieder zu. »Ich habe großes Interesse daran, ihn am Leben zu erhalten.«
»Ich wollte dich schon danach fragen.«
Sie befanden sich in einem Fischerhaus, nur einen Steinwurf vom Meer entfernt. Rebekka hatte es für einen Monat gemietet und sich mit einer stattlichen Summe nicht nur das Schweigen des Besitzers erkauft, sondern auch dessen Mithilfe: Jeden Tag füllte er den Kühlschrank und die Speisekammer, machte das Bett und wischte die Fußböden. Weder seine Frau noch seine Kinder wussten etwas über sie. Dennoch hatte Ze’ev sie gefunden, und dem Babylonier würde es ebenso gelingen.
»Hier können wir nicht bleiben«, sagte sie und reichte ihm einen Teller mit Brot, Käse und kaltem Braten. »Nur so lange, bis du dich erholt hast.«
»Und Weaving?«
»Er wird länger brauchen.« Sie betrachtete ihn fast sehnsüchtig. »Aber wenn wir warten, bis er wieder bei Bewusstsein ist, kann es uns das Leben kosten.«
Bourne sah sie an, während er aß. Er war völlig ausgehungert. »Wen erwartest du?«
»Ben David hat jemanden gesandt. Laut Ze’ev ist er schon unterwegs.«
»Ich hab gesehen, wie sehr du Ze’ev vertraut hast«, sagte er.
Sie
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