Der Bourne Verrat: Roman (German Edition)
vor, wie wir …?«
Sie brach mitten im Satz ab, als zwei uniformierte Polizisten hereinkamen und die Gäste musterten.
Martha Christiana saß neben Don Fernando Herrera in einem Privatjet. Sie war es gewohnt, dass sich ihre Operationen zu einem Drahtseilakt entwickelten, ja sie genoss es sogar. Doch nun war sie sich zum ersten Mal, seit sie in diesem Geschäft arbeitete, ihrer Sache nicht ganz sicher. Don Fernando erwies sich als größere Herausforderung, als sie erwartet hatte.
Zum einen war ihr der Mann ein Rätsel. Zum anderen benahm er sich wie kein anderer älterer Mann, dem sie je begegnet war. Er war immer noch voller Energie und lebte auch geistig nicht in der Vergangenheit. Er hatte keine Vorbehalte gegen die Errungenschaften der Gegenwart und keinerlei Angst vor den Herausforderungen der Zukunft. Die Erfahrung hatte sie gelehrt, dass ältere Männer, wenn ihre Schaffenskraft erschöpft war, es sich bequem machten und die Gegenwart wie einen unverständlichen Film an sich vorbeiziehen ließen. Es war erstaunlich, wie Don Fernando auch mit der allerneuesten Technologie umging.
Martha fand ihn charmant, gebildet und scharfsinnig. Er zog sie auf eigentümliche Weise an, und es ließ alle ihre Alarmglocken schrillen, wie gut sie sich fühlte, wenn sie mit ihm zusammen war.
Außerdem rief Don Fernando die Erinnerung an eine Zeit vor Marrakesch in ihr wach, bevor sie aus dem Leuchtturm geflüchtet war. Eine Zeit der Stürme, die die Wellen gegen die Felsklippe peitschten, auf der ihr Zuhause errichtet war. Oder waren ihre Gedanken in diese Richtung gelenkt worden, weil Don Fernando mit ihr nach Gibraltar flog?
»Ich würde gern mit dir essen gehen«, hatte er vor einigen Stunden zu ihr gesagt.
»Welches Restaurant?«, hatte sie gefragt. »Was soll ich anziehen?« Sie trug einen schwarzen Etuirock und eine dazu passende Bolero-Jacke, darunter eine perlweiße Seidenbluse mit einer Onyx-Brosche am Kragen.
»Das ist eine Überraschung.« Seine Augen funkelten. »Und was du anhast, ist absolut passend.«
Die Überraschung war der Jet, der auf einem Privatflugplatz außerhalb von Paris wartete. Erst als sie in der Luft waren, verriet er ihr, wo die Reise hinging.
»Warum Gibraltar?«, hatte sie mit pochendem Herzen gefragt.
»Du wirst es schon sehen.«
Jetzt waren sie gelandet. Ein Auto mit Chauffeur erwartete sie. Sie stiegen ein und fuhren die Küste entlang, die ihr allzu vertraut war. Zwanzig Minuten später kam der Leuchtturm in Sicht, auf der Landspitze, wo sie ihre Kindheit verbracht hatte.
»Ich verstehe nicht.« Sie wandte sich ihm zu. »Warum wolltest du hierher?«
»Bist du mir böse?«
»Ich weiß nicht, wie du … ich weiß nicht … nein, ich …«
Das Auto hielt an. Der Leuchtturm ragte hoch vor ihnen auf.
»Er ist jetzt automatisiert, schon seit Jahren«, erklärte Don Fernando, während sie ausstiegen. »Aber er ist noch in Betrieb und erfüllt noch denselben Zweck wie früher.«
Er führte sie zur Westseite des Leuchtturms und ging mit ihr einige Hundert Meter, bis sie zu einem Grab kamen. Sie blieb stehen, las die Inschrift des Grabsteins. Es war das Grab ihres Vaters.
»Warum hast du das getan, Don Fernando?«
»Du bist mir doch böse. Vielleicht war es ein Fehler.« Er fasste sie sanft am Ellbogen. »Komm, wir gehen.«
Doch sie rührte sich nicht und schüttelte seine Hand ab, als er nach ihr griff. Sie ging näher zum Grab. Jemand hatte Blumen in eine Zinkvase gestellt, wenn auch schon vor längerer Zeit. Die Blumen waren vertrocknet, viele Blütenblätter abgefallen.
Martha Christiana starrte auf den Stein hinunter, unter dem ihr Vater begraben lag. Zu ihrer eigenen Überraschung kniete sie nieder und berührte die Erde. Über ihr zogen die Wolken über den azurblauen Himmel. Meeresvögel stießen laut rufend zum Wasser herab. Sie hob den Kopf und sah das Nest eines Seeadlers, dachte an ihre Familie, ihr Zuhause.
Unwillkürlich tasteten ihre Finger zu ihrer Brosche am Kragen. Sie nahm sie ab, grub ein kleines Loch in die Erde des Grabes und legte die Brosche hinein. Langsam, fast ehrerbietig, deckte sie sie zu und legte ihre Hand auf die Erde, als könnte sie die Brosche noch fühlen, wie ein schlagendes Herz.
»Möchtest du reingehen?«, fragte Don Fernando, als sie aufstand.
Sie schüttelte den Kopf. »Ich bleibe lieber hier draußen.«
Er nickte, als verstehe er sie voll und ganz. Dass sie diesen intimen Augenblick zusammen erlebten, empfand sie als überaus
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