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Der Brander

Der Brander

Titel: Der Brander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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strebte auf die Windward Passage zu, als beseele sie ein eigener Wille. Diese Durchfahrt zwischen Kuba und Haiti war an ihrer engsten Stelle kaum siebzig Meilen breit. Wenn San Felipe in Feindbesitz war, konnte ein Konvoi sich nur unter hohen Verlusten hier ein Durchkommen erzwingen. Je länger er darüber nachdachte, desto unbegreiflicher schienen Bolitho die Befehle, die er in London erhalten hatte.
    Er reichte das Glas einem Midshipman zurück und begann, langsam auf dem Achterdeck hin und her zu wandern. Hoffentlich hatte er Kapitänleutnant Napier nicht überfordert. Immerhin schien er in seinem neuen, wenn auch befristeten Amt als Gouverneur überglücklich zu sein. Und mit seiner unter der mächtigen Festungsbatterie verankerten Vierzehn-Kanonen-Brigg und den schneidigen Infanteristen vom 60. Regiment – den Royal Americans, wie sie immer noch genannt wurden – konnte er wenigstens den Anschein von Stärke und Kampfkraft erwecken.
    Bolitho sah Leutnant Hawtayne Waffen und Ausrüstung einiger Marine-Infanteristen inspizieren. Ein Glück, daß sie wieder da waren, wo sie hingehörten: an Bord der
Achates.
Sehr wahrscheinlich wurden sie bald erneut gebraucht.
    Mit einem heimlichen Lächeln hörte er die helle Stimme des Marineleutnants schimpfen: »Reiß dich zusammen, Jones! Der Schlendrian an Land ist vorbei!« Sofort hatte Bolitho wieder das Bild des erschossenen Trommelbuben vor Augen; es würde ihn noch lange heimsuchen, das wußte er.
    Da hörte er Adams leichten Schritt neben sich und sah ihn abwartend stehenbleiben.
    »Und wie geht’s meinem Flaggleutnant an diesem schönen Tag?«
    fragte er.
    Adam lächelte; der Augenblick war günstig.
    »Miss Robina ist ein wunderbares Mädchen, Onkel. Ich bin noch nie einer Frau wie ihr begegnet…«
    Bolitho ließ ihn sein Herz ausschütten, ohne ihn auch nur einmal zu unterbrechen. So standen die Dinge also. Hätte er nicht selbst so viele Probleme gehabt, wäre ihm schon damals klargeworden, daß Adams Ausflug nach Newburyport nicht ein Abschluß, sondern ein neuer Anfang sein würde.
    »Hast du ihren Vater um ihre Hand gebeten?«
    Adam errötete. »Dafür war es noch viel zu früh, Onkel. Das heißt, ich habe etwas durchblicken lassen über unsere Zukunft, will sagen, über die nicht allzu ferne Zukunft…« Er ließ den Satz unvollendet und starrte ins dunkelblaue Wasser hinunter. Dann raffte er sich auf und sagte: »Ich weiß natürlich, daß sie mich nicht heiraten kann. Und ihr Onkel ist im Bilde. Er war richtig froh, daß er mich auf eines seiner Schiffe abschieben konnte.«
    Bolitho sah auf.
Vivid
gehörte also Chase. Seltsam, daß Tyrrell das unerwähnt gelassen hatte.
    »Gehen wir eine Weile auf und ab, Adam.«
    Einige Minuten schritten sie schweigend nebeneinander her, während das Schiff sich unter ihnen hob und senkte.
    Schließlich begann Bolitho: »Du hast eine Zukunft bei der Marine, Adam. Und zwar eine aussichtsreiche, falls ich ein Wort dabei mitzureden habe. Du kommst aus einer alten Seefahrerfamilie, aber das gilt auch für andere. Denke immer daran, daß du alles bisher Erreichte nur dir selbst zu verdanken hast. Wenn die jungen Offiziere wie du erst an die richtigen Stellen kommen, sollte die Kriegsmarine ein besseres, menschlicheres Gesicht aufweisen als zu meiner Zeit. Wir sind ein Inselvolk und werden Schiffe immer bitter nötig haben, ebenso Männer, die auf ihnen zu kämpfen verstehen.«
    Adam erwiderte Bolithos Blick. »Nichts anderes wünsche ich mir, seit ich auf deiner
Hyperion
als Kadett angeheuert habe.«
    Bolitho sah zum Batteriedeck hinunter, wo der Matrose, der ein Auge verloren hatte, von seinen Kameraden begrüßt wurde; unsicher ertastete er sich seinen Weg an einem Achtzehnpfünder vorbei. Er hatte sich immer noch nicht ganz erholt, aber die schwarze Augenklappe gab ihm etwas Verwegenes, und seine Kameraden behandelten ihn als Helden.
    Auch Adam hatte ihn bemerkt, bedachtsam suchte er nach Worten.
    »Männer wie er da unten, Onkel, sind dir wohl ziemlich wichtig, nicht wahr? Du siehst in ihnen nicht nur unwissende Handlanger, sondern sie bedeuten dir etwas.«
    Bolitho wandte sich ihm zu. »Ganz sicher tun sie das. Wir dürfen ihre Treue niemals für selbstverständlich halten, Adam. Leider gibt es viele andere, die genau das tun.«
    Adam nickte. »Als ich in Vaters altem Sessel saß…«
    Leise fragte Bolitho: »In Newburyport, wo er einst mit seinem Schiff Zuflucht suchte?«
    Adam wandte den Blick ab. »Sie haben mich

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