Der Brander
Buchten hier erholen wollen. Und von den Spaniern haben sie ja nichts zu befürchten. Außerdem kennen die längst ihre Absichten, davon bin ich überzeugt.«
Bolitho musterte Tyrrell nachdenklich. »Wir sind jetzt in spanischen Gewässern. Es gibt keine Rechtfertigung für unsere Anwesenheit, es sei denn, dieses verdammte Schiff versteckt sich wirklich hinter der spanischen Flagge.«
Keen kam zurück und sagte mit ausdruckslosem Gesicht: »Wir müssen bald wieder über Stag gehen, Sir.« Tyrrell ließ er absichtlich unbeachtet. »Und danach kommt das mühsame Aufkreuzen zur Mona-Passage. So flau der Wind ist, hat er es offenbar doch darauf abgesehen, uns das Leben schwer zu machen.«
Noch während er sprach, wurde das Vorbramsegel schlaff und schlug gegen die Wanten; Männer hasteten an die Brassen, um die Rah abermals neu zu trimmen.
Plötzlich sagte Tyrrell: »Mir ist etwas eingefallen. Geben Sie mir ein Boot.« Er sprach hastig, als müsse er auch eigene Vorbehalte übertönen. »Sie glauben mir nicht. Aber ich bin mir ja selbst nicht sicher.« Sie blickten alle nach oben, als ein Ausguckposten rief: »An Deck!
Segel in Nordwest!«
»Hol’s der Teufel«, murmelte Keen. »Das ist bestimmt ein Patrouillenboot aus Santo Domingo!«
Tyrrell musterte ihn kalt. »Die Spanier haben Ihr schönes Schiff schon seit Tagen beobachtet, Kapitän Keen, darauf halte ich jede Wette.«
Keen wandte den Blick ab. »Ich wette nicht mit einem Glücksritter«, brummte er.
Scharf befahl Bolitho: »Das reicht!«
Er blickte zum Krähennest auf. Der Tag war sonnig und klar, der Ausguckposten da oben mußte mehr erkennen können als jeder andere.
Durch die hohlen Hände schrie er hinauf: »Was für ein Schiff?« Bolitho war sich bewußt, daß einige der in der Nähe arbeitenden Seeleute innehielten und ihn anstarrten. Ein Admiral, auch wenn er noch so jung war, und Schreien? Das mußte ihnen vorkommen wie eine Blasphemie.
Aus dem Ausguck schrie es herunter: »Eine Fregatte, Sir, wie’s aussieht.«
Bolitho nickte. Also eine Fregatte. Wahrscheinlich hatte Keen mit seiner Vermutung recht, dann blieben ihnen höchstens noch zwei Stunden.
Er befahl: »Lassen Sie bitte beidrehen und einen Kutter aussetzen. Bewaffnet und unter dem Befehl eines Leutnants.«
Eifrige Rufe erklangen, hastiges Getrappel ringsum auf den von der Sonne gedörrten Planken, und dann drehte
Achates
zögernd in den Wind, während das Boot bereits ruckartig über das Steuerbordschanzkleid geschwungen wurde.
Knocker, der sich an Keen herangeschoben hatte, murmelte: »Die Bucht ist nicht größer als ein Dorfteich, Sir. Ein solches Schiff käme niemals da hinein.«
»So steht’s in Ihrer Karte«, erwiderte Tyrrell düster. »Aber ich weiß es besser.«
Bolitho sah Scott, den Dritten Offizier, sich hastig mit dem Säbel gürten, während ihm der Messesteward mit Pistole und Zweispitz nachlief. Von trübsinniger Untätigkeit zu hektischer Betriebsamkeit – wie oft hatte Bolitho diesen Stimmungsumschwung schon erlebt, auch an sich selbst.
»Kutter liegt längsseits, Sir!«
Mit einem dumpfen Poltern landete die abgefierte Drehbrasse im Bug des Beiboots, um sofort von zwei Seeleuten geladen zu werden. Leise fragte Bolitho: »Ist Ihnen diese kleine Bucht erst jetzt wieder eingefallen, Jethro? Oder wissen Sie schon seit zwei Wochen und länger, daß sie die richtige Stelle ist? Wir hätten im nächsten Augenblick gewendet und diese Chance für immer verspielt.«
»Sie wollten das Schiff«, antwortete Tyrrell. »Ich halte mein Wort.« Damit wandte er sich ab und hinkte zum Schanzkleid, sein Holzbein holte bei jedem Schritt in weitem Bogen aus.
Und obwohl Bolitho in diesem Augenblick die Wahrheit erkannt hatte, drängte ihn ein unerklärlicher Impuls, mit zwei, drei Schritten an die Finknetze zu eilen und Tyrrell nachzurufen: »Seien Sie vorsichtig, Jethro! Und viel Glück!«
Tyrrell hielt inne, die großen Fäuste um die Taue der Jakobsleiter gekrampft, und blickte mit Augen, die im grellen Licht tränten, zum Achterdeck hinauf. Einen Lidschlag lang standen nicht mehr die vielen Jahre zwischen ihnen, sondern sie waren wieder an Bord der
Sparrow.
Dann stieß sich Tyrrell von der Bordwand ab und ließ sich in den Kutter fallen, den Holzstumpf steif vorgereckt wie einen Rüssel. Keen murmelte: »Wenn das nur gutgeht.«
Schon löste sich der Kutter vom Mutterschiff, die Riemen hoben und senkten sich in schnellem Takt, während der Bootsmann, hinter dem Leutnant
Weitere Kostenlose Bücher