Der Brandstifter

beschädigten Nummernschild war tatsächlich auf den Bändern vorgekommen, und zwar viel zu oft. Womit könnte man sich das Vertrauen eines potenziellen Opfers besser erschleichen als mit einer kostenlosen Pizza? Plötzlich ergab alles auf grausame Weise einen Sinn.
    Das letzte und wichtigste Detail, das mir auffiel, war das Tor zum Park, das jetzt weit offen stand. Als ich es das letzte Mal gesehen hatte, war es noch mit einer Kette verschlossen gewesen. Aber ob ich wollte oder nicht, ich musste da hinein. Und bei diesem Gedanken riss ich mich zusammen und rannte wieder los. Vermutlich hatte ich nur ein paar Sekunden da gestanden, aber das war schon viel zu lange gewesen. Mit einer Hand holte ich das CS -Spray aus meiner Jackentasche und drückte mit der anderen den Alarmknopf an meinem Funkgerät. Dieser Notruf hatte Vorrang vor allen anderen Funksprüchen auf diesem Kanal und forderte sofortige Unterstützung an. Ich mochte gar nicht darüber nachdenken, warum Katy ein solches Signal nicht hatte absetzen können, aber vielleicht war es ja auch gar nicht nötig, vielleicht ging es ihr ja gut, vielleicht reagierte ich ja nur völlig überzogen.
    Aber wenn das alles doch ganz anders war, konnte ich nicht hier herumstehen und auf Verstärkung warten. Ich schaute durch das Tor, doch sosehr ich meine Augen auch anstrengte, konnte ich in der Dunkelheit nichts weiter erkennen als den rissigen, regennassen Asphaltweg, der jenseits des Lichtkegels der Straßenlaterne wieder verschwand. Rings um den Eingang wuchsen Lorbeersträucher mit giftig aussehenden gefleckten Blättern, die mir die Sicht auf den restlichen Park nahmen. Ich kontrollierte, dass das Ventil meines Gassprays von mir abgewandt war und hetzte durch das Tor, während ich bereute, dass mein ausziehbarer Schlagstock und die Handschellen noch im Auto lagen. So musste ich mich notgedrungen mit dem dämlichen CS -Gas begnügen. In der Ausbildung hatte ich gelernt, dass es selbst bei gezieltem Einsatz nicht bei jedem wirkte. Und wie ich mein Glück kannte, war der Brandstifter ganz bestimmt dagegen immun. Folglich war es also ungefähr so nützlich wie… Ich schüttelte mich. Konzentrier dich. Mein Gehirn arbeitete auf Hochtouren und förderte zusammenhanglose Bilder zutage, ließ willkürliche Gedanken aufblitzen. Das grelle Licht bei der Einsatzbesprechung, das rötlich durch die Segelohren eines vor mir sitzenden Kollegen schien. Spuren von Lippenstift an Dr. Chens Zähnen. Ich im Auto, wie ich wider alle Vernunft einen von Sams ekelhaften Chips mit Käse-Zwiebel-Geschmack aß. Der Geschmack lag mir noch auf der Zunge. Ich biss mir heftig auf die Unterlippe und hastete weiter. Die Sekunden vergingen, und ich hatte noch immer nichts gefunden.
    Immer einen Fuß vor den anderen. So schnell es geht. Aber trotzdem vorsichtig. Nicht ausrutschen. Möglichst keinen Lärm machen. Nach links oder rechts, entscheide dich. Welche Richtung? Anhalten. Lauschen …
    Irgendwo weiter weg hörte ich ein Keuchen. Jemand kam einen Weg entlanggerannt und gab sich keinerlei Mühe, leise zu sein.
    » Maeve! Maeve!« Es war ein heiseres Flüstern, das eindeutig von Sam kam und in der stillen Grünanlage ungeheuer laut wirkte. Ich verdrehte die Augen und wünschte, er würde seinen Mund halten. Wenn ich nur etwas von Katy hören oder sehen könnte… wenn ich nur wüsste, ob ich an der richtigen Stelle suchte…
    Unterdessen war ich in der Mitte des Parks angekommen, wo ein kleines, tristes Gebäude stand, in dem sich die öffentlichen Toiletten befanden. Hätte mir nicht vorher einfallen können, dass man sich dort gut unterstellen konnte? Wenn man vorhatte, jemanden in einer verregneten Nacht zu Tode zu prügeln und anschließend zu verbrennen, würde man vermutlich genau nach einem solchen Unterstand Ausschau halten. Als ich an dem Häuschen vorbeistürzte, vernahm ich ein leises Geräusch, das wie ein Wimmern klang und erschreckend nahe war, und aus der Ferne hörte ich jemanden rufen. Hastig drehte ich mich auf einem Fuß um und erfasste gerade noch, wie etwas durch die Luft direkt auf meinen Kopf zukam, ohne es wirklich zu sehen. Als der Schlag mich traf, spürte ich keinen Schmerz, nur ein schwindelerregendes Gefühl unglaublicher Schwäche. Ich wusste nur, dass ich weitermusste, dass ich dort wegmusste, aber meine Beine trugen mich nicht mehr, und irgendjemand schrie immer noch, schrie mich an, schrie meinen Namen. Ich tastete nach dem CS -Spray, aber es glitt mir aus der Hand