Der Brandstifter
einem Auto gesessen. Ich erinnerte mich, dass ich mich umgedreht hatte, um jemanden auf dem Rücksitz anzusehen. Aber gefahren war das Auto meiner Ansicht nach nicht. Das konnte es also nicht gewesen sein.
Als ich die Augen wieder öffnete, war der Arzt verschwunden. An seiner Stelle standen jetzt meine Eltern da, jeder an einer Seite meines Bettes. Sie wirkten müde und ziemlich mitgenommen. Dads Strickjacke war falsch geknöpft und Mums Frisur ganz plattgedrückt– kein Vergleich mit ihrer üblichen braunen Lockenpracht.
» Was macht ihr denn hier?« Meine Stimme klang schon viel besser, stellte ich zufrieden fest. Kräftiger. Nicht mehr so krächzend.
» Du bist ja wach.« Für einen Moment sah ich schiere Erleichterung im Gesicht meiner Mutter und, als ich den Kopf wendete, genau das Gleiche bei meinem Vater.
» Wie geht’s dir denn, mein Schatz?«
» Mir tut der Kopf so weh, Papi.« Die kindliche Anrede war mir herausgerutscht, noch bevor ich sie aufhalten konnte, aber irgendwie fühlte ich mich ja auch wie ein Kind: Ich wollte gehätschelt, getröstet und umsorgt werden. Doch dann fiel es mir wieder ein– ich musste ihnen sagen, was passiert war. » Ich hab einen gebrochenen Schädel.«
» Ja, das wissen wir. Die Ärzte haben uns schon informiert. Seit 36 Stunden bist du jetzt mal bei Bewusstsein, mal nicht.« Mum war schon wieder direkt wie immer, stellte ich leicht beruhigt fest. So krank konnte ich also nicht sein. » Sie haben gesagt, dass sie jetzt erst mal abwarten müssen, wie es weitergeht. Offenbar ist es möglich, dass eine gewisse Beeinträchtigung zurückbleibt.«
» Beeinträchtigung?«
Mein Vater schnalzte gereizt mit der Zunge. » Ach, Colette. Jetzt mach ihr doch keine Angst.«
Ich sah ihn an. » Was ist denn eigentlich passiert?«
» Du kannst dich nicht erinnern?«, fragte Dad besorgt. Nur ihm zuliebe bemühte ich mich, mein Gedächtnis auf Trab zu bringen.
» Ich war bei der Arbeit…«
» Allerdings, das warst du«, schimpfte Mum. » Arbeiten. Bezahlen die eigentlich Zuschlag dafür, dass du derart gefährliche Sachen machst? Du hättest überhaupt nicht dort sein sollen.«
» Es war eine verdeckte Operation.« Da war es langsam wieder. » Ich hab im Auto gesessen. Im Überwachungsteam.«
» Du wolltest einer anderen Polizistin zu Hilfe kommen und wurdest dabei angegriffen«, erklärte Dad sanft, aber trotzdem zuckte ich bei seinen Worten zusammen.
» Und wem habe ich geholfen? Was ist genau passiert? Hat mich dieser Serienmörder attackiert?«
» Du hast eine andere Polizistin davor gerettet, umgebracht zu werden. Und ja, ich denke, das war der Bursche, nach dem ihr gesucht habt.«
» Wurde er verhaftet?«
» Ich glaube.« Dad klang diffus. » Aber wir haben keine Nachrichten gesehen, weil wir die ganze Zeit hier waren.«
» Weil wir bei dir bleiben wollten, bis es dir besser geht.« Mum lehnte sich erschöpft zurück. » Maeve, tut mir leid, aber ich verstehe nicht, was dich dazu bewegt, bei der Polizei zu arbeiten. Ich habe das nie verstanden und werde es wohl nie verstehen. Du bist ein kluges Mädchen und hättest doch sonst was machen können. Das kannst du übrigens auch jetzt noch. Hast du schon mal darüber nachgedacht, Lehrerin zu werden? Oder wie wäre es mit Anwältin? Die verdienen doch so gut.«
Mum war seit 30 Jahren Sprechstundenhilfe, und Dad arbeitete bei einer Versicherung. Mir sank der Mut bei dem Gedanken, ihnen auseinandersetzen zu müssen, was mir an meinem Job gefiel– besonders in meinem gegenwärtigen Zustand–, aber ich wollte es wenigstens versuchen.
» Ich bin wirklich total gern Polizistin, Mum. Besonders bei der Kripo. Ich ermittle bei den schwersten Verbrechen, den schlimmsten Sachen, die passieren können, und wenn ich meine Arbeit gut mache, werden diejenigen, die solche Verbrechen begangen haben, aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Dabei geht es noch nicht mal vordergründig darum, Gerechtigkeit walten zu lassen– sondern nur darum, dafür zu sorgen, dass normale, anständige Leute nicht in Angst und Schrecken leben müssen.« Nicht zu vergessen den Adrenalinrausch natürlich. » Es ist eine wichtige Arbeit. Eine wirklich sehr wichtige Arbeit. Sie rettet Leben. Wenn wir den Brandstifter endlich geschnappt haben…«
» Wird er niemanden mehr umbringen«, beendete Mum meinen Satz mit müder Stimme. » Aber Maeve, beinahe hätte er dich umgebracht.«
Ein kurzes Schweigen entstand. Mir fiel nichts weiter ein, als daran zu erinnern,
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