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Der Brandstifter

Der Brandstifter

Titel: Der Brandstifter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
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von Ihrer Beziehung zu ihr zu erzählen. Was war sie für ein Mensch?«
    Avril war diejenige, die mir darauf antwortete, und obwohl sie Tränen in den Augen hatte, klang ihre Stimme fest. » Sie war wie das Sonnenlicht an einem kalten Tag. Sie war das Licht unseres Lebens.«
    Ihr Mann räusperte sich. » Wir waren natürlich sehr stolz auf sie. Aber sie war auch wirklich etwas ganz Besonderes. Intelligent, humorvoll, beliebt, liebevoll– so wie man sich eine Tochter nur wünschen kann. Man muss sich doch nur anschauen, wer heute alles hier war– Freunde aus dem Kindergarten, aus der Schule, ganz abgesehen von ihren Studienkollegen von der Uni und ihren Kollegen. Sie wurde von allen sehr geschätzt.«
    » Es war doch wirklich nett, dass die Leute von Ventnor Chase extra hergekommen sind, oder?«, sagte Avril zu ihrem Mann. » Vor allem weil sie doch immer so viel zu tun haben. Ich meine, sie müssen ja jetzt auch ohne sie zurechtkommen. Mr. Ventnor sagte mir, dass er gar nicht weiß, wie er sie jemals ersetzen soll.«
    Also hatte zumindest Avril keine Ahnung, dass ihre Tochter zum Zeitpunkt ihres Todes gar nicht mehr dort beschäftigt war. Und Anton Ventnor war so freundlich, sie in diesem Glauben zu lassen. Dieser Umstand hätte ihn mir fast ein Stück sympathischer gemacht, wenn ich nicht den Verdacht gehegt hätte, dass er diese Lüge genossen hatte.
    » Hat Rebecca mit Ihnen über ihre Arbeit geredet?«
    » Nur um uns zu berichten, dass alles gut lief«, antwortete Gerald. » Sie hat sehr viel gearbeitet. Wir haben uns manchmal Sorgen gemacht, weil sie immerzu unterwegs war. Immer volles Tempo, so war sie eben. Aber sie ließ sich nichts vorschreiben. Sie wollte ihren eigenen Weg gehen. Wir haben keine Forderungen an sie gestellt, sie sollte einfach nur glücklich sein. Und ich bin mir sicher, dass sie es war.«
    Ich murmelte etwas, das zustimmend klingen sollte, obwohl meine Zunge sich plötzlich viel zu groß anfühlte. Ich hätte mir vorher bei Anton Ventnor ein paar Tipps zum überzeugenden Lügen holen sollen.
    Im Laufe der nächsten Stunde erfuhr ich, dass Rebecca ein frühreifes, aber freundliches Kind gewesen war, das Bücher und Pferde liebte und als Teenager Geländelauf trainiert hatte. Dem Laufen und Lesen blieb sie auch noch treu, nachdem sie ihrer Pferdeleidenschaft entwachsen war. Sie bewarb sich dann in Oxford für ein Geschichtsstudium statt für Anglistik, weil sie einen Abschluss in diesem Fach für nützlicher hielt. Rebecca hatte ein äußerst privilegiertes Leben gehabt, dafür aber auch immer hart gearbeitet. Als sie ihren Studienplatz am College ihrer Wahl in Oxford bekam, war sie überglücklich gewesen.
    » Dort hat sie Louise kennen gelernt. Hatten Sie schon Gelegenheit, mit ihr zu sprechen? Ein ganz nettes Mädchen. Sie waren sehr eng befreundet.« Avril sprach fast in einem verträumten Ton, als hätte sie über der Erinnerung an glücklichere Tage den Anlass für unser Gespräch vergessen. Auf dem kleinen Tisch, wo Avrils Ellbogen ruhte, stand ein gerahmter Abzug des gleichen Fotos von Rebecca und Louise, das ich schon in Rebeccas Wohnung gesehen hatte.
    » Hat es ihr in Oxford gefallen?«, erkundigte ich mich und musste daran denken, was Tilly Shaw mir erzählt hatte. Ich hatte noch immer keine Vorstellung, was Rebecca dazu gebracht hatte anzunehmen, ihr Schicksal sei besiegelt.
    Ihre Eltern sahen mich einen Moment schweigend an, dann tauschten sie einen Blick aus, bei dem man ihr Unbehagen deutlich spüren konnte. Nach kurzem Schweigen sagte Gerald schließlich: » Ja, sie war gern dort. Allerdings hatte sie im dritten Jahr ein wenig zu kämpfen. Sie nahm sich eine Auszeit und kehrte Oxford drei Wochen vor Beginn ihrer Abschlussprüfungen vorübergehend den Rücken. Sie musste sie dann ein Jahr darauf ablegen.«
    » Was war denn passiert?«
    Avril ergriff das Wort. » Ach, das war furchtbar tragisch. Einer ihrer Studienkollegen kam ums Leben; er ist ertrunken. Es geschah während der Feierlichkeiten zum 1. Mai, die jedes Jahr dort stattfinden. Und damit wurde Rebecca wohl einfach nicht fertig. Sie hat sich alles immer sehr zu Herzen genommen und bekam Albträume, die sich um ihn drehten. Sie konnte nicht mehr lernen, nicht mehr essen und auch sonst nichts mehr, sodass wir am Ende hingefahren sind und sie abgeholt haben. Ihr Tutor hat sich sehr für sie eingesetzt. Er hat es geschafft, ihre Fakultät davon zu überzeugen, dass sie die Prüfungen verschieben darf. Im nächsten Jahr

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