Der Brennende Salamander
christliche Kirche untergehen würde und daß alle Nichtkatholiken für die Hölle bestimmt seien, gehörten gewiß dazu. Was man ihm jedoch später antat, als der Papst ihn in die Knie zwang, ihm das Predigen verbot und ihm eine Demütigung nach der anderen zufügte, ist nicht zu rechtfertigen. Und als man die Tore seines Klosters in Brand setzte, um seiner habhaft zu werden, so daß den Dominikanern nichts anderes übrig blieb, als die Angreifer mit Steinen und glühender Asche zu empfangen, paßte dies natürlich nicht in das Bild, das man sich von friedfertigen Mönchen gemacht hatte. Als man ihn am Ende seines Lebens auch noch der Feigheit beschuldigte, nachdem er sich geweigert hatte, dem Volksspektakel der Feuerprobe zuzustimmen – ein Versuch der Signoria, sich seiner möglichst schuldlos zu entledigen –, traten die Heuchelei der Republik und ihre Korruptheit in aller Offenheit zutage. Wer Savonarola ergriff, sollte ein Kopfgeld von tausend Florin bekommen. Der Umstand, daß sich Savonarola weigerte, seine geistlichen Gewänder abzulegen und in Unterhosen durchs Feuer zu gehen, der Umstand, daß die Stadt auf der Piazza della Signoria bereits ein Gerüst aufgebaut hatte, fünfzig Ellen lang, zehn Ellen breit, vier Ellen hoch, und der Umstand, daß der Branntwein, die Harze sowie das Öl bereitstanden und die Feuerprobe, die die Franziskaner gefordert hatten, trotzdem nicht stattfand, ließ die Wogen in der Stadt über Wochen hinweg nicht zur Ruhe kommen – bis zum bitteren Ende.
Sie haben ihn also gefoltert, der Strickfolter unterworfen. Sie banden seine Arme auf dem Rücken zusammen, zogen ihn empor, ließen ihn in der Luft schweben und dann aus großer Höhe hinabsausen.
So erschlichen sie sich ein Geständnis, aber es genügte ihnen nicht, und er wurde erneut der Strickfolter unterworfen. Aus dem bargello konnte man die Unglücklichen, den frate und seine zwei Mitbrüder Domenico und Silvestro, schreien hören, vom Nachmittag bis zum Abend. Zwei Beauftragte des Papstes verhörten ihn ein weiteres Mal, sie wollten bestätigt haben, daß er von Gott gesandt und dessen Bote sei, damit das Urteil wegen der Verbreitung ›falscher und verderblicher Lehren‹ gefällt und endlich vollstreckt werden konnte.
Und dies alles im Auftrag des Papstes. Er hatte ihm seine Würde genommen, seine Sprache, nun nahm er ihm auch noch sein Leben, ohne daß es irgendeine Berechtigung dafür gegeben hätte. Und weil die Ausführenden Angst vor ihrem eigenen Mut hatten, weil sie nicht daran glaubten, daß man diesen Menschen ohne weiteres vom Leben in den Tod befördern könne, ließen sie ihn dreimal sterben: Zuerst wurde er zusammen mit den beiden anderen Fratres gehängt, was schwierig war, weil bei Silvestro der Strick nicht gut lief und er nicht sofort erdrosselt wurde. Dann verbrannte man die drei, wobei der Reisighaufen mit Bombardenpulver, Raketen und Büchsenschüssen entzündet wurde und der Henker den Pfahl umfallen und am Boden zu Ende brennen ließ, da er befürchtete, das Volk könne Reliquien an sich reißen. Daher töteten sie Savonarola ein drittes Mal, indem sie die noch rauchenden Reste in den Arno warfen.
Das ist der Punkt, an dem ich unsere Geschichte erzählen muß, die Geschichte der Kinder des Ospedale oder zumindest einiger dieser Kinder.
Es gab bei uns bereits lange Dispute darüber, wer zu der Verbrennung gehen sollte und wer nicht. Ich hatte mich geweigert zu gehen, weil ich dem Leiden des frate nicht zuschauen wollte. Andere waren der Meinung, man müsse ihm beistehen in seiner letzten Stunde, man müsse für ihn beten und dem grausamen Spektakel standhalten. Während also Rocco, Leonello und Matteo zum Richtplatz gingen, lief ich quer durch die Stadt, mied die Straßen, die bereits mehr als überfüllt waren von all den Schaulustigen, und eilte hinunter an den Arno. Ich ruderte ein gutes Stück den Fluß hinunter und blies meine Posaune.
Als ich die Rauchwolken aufsteigen sah, kehrte ich zurück, weil ich annahm, alles sei vorbei. Ich hatte also nicht gesehen, wie die Leiche mit Steinen beworfen wurde, was später noch eine Rolle spielen sollte. Aber ich sah die Männer mit ihren rauchenden Karren. Sie hatten Tücher um Mund und Nase gebunden und hasteten in großer Eile ans Ufer, um ihre schauerliche Last loszuwerden. Die Menge rannte hinterher.
Ich sah Rocco und viele andere Zöglinge aus dem Ospedale und erlebte, wie sie sich um die rauchenden Reste des frate prügelten, oder um das,
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