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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
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Orte sind ja gleichzeitig immer die nützlichsten.
    Was den »Weltverbesserer« betrifft, so will ich ihn bei Lebzeiten von Minetti von keinem mehr spielen lassen. Wir lassen diesen Abend in Bochum auf sich beruhen. In einer andern als der deutschen Sprache und ausserhalb der drei deutschsprechenden Provinzen, ist es mir wurscht.
    Was die »Hohen Tauern« betrifft, müssen sie ja nicht im nächsten Jahr erscheinen. Es kann nicht wenig genug Bücher geben.
    Was meinen Geburtstag betrifft, so lasse ich ihn so wie alle andern neunundvierzig bisherigen vorübergehen und es ist mir der grösste Wert, wenn davon niemand und nichts Notiz nimmt. Ich bitte Sie, diesen Geburtstag vollkommen zu vergessen. Ich selbst kann diesem bedauerlichen Umstand ja nicht ausweichen, eine Geburt kann man nicht rückgängig machen, aber wahr ist, dass ich viel öfter denke, wenn ich nur nicht geboren wäre!, als das, dass ich lebe.
    Die Welt ist zweifellos das grösste Erlebnis, aber zum Grossteil erschöpft sie sich doch in einer entsetzlichen Anstrengung. Die Welt ist mehr und mehr ein enger Kerker, in welchem jener Untersuchungshäftling, der man ist, doch lebenslänglich die schlechtest denkbare Luft einatmet und auf einen Freispruch nicht hoffen kann.
    Was Salzburg betrifft, so bin ich darauf konzentriert, es doch erst 82 zu machen, denn 81 ist zu knapp und es werden doch nur allzu halsbrecherische Kompromisse. Im Übrigen bestehe ich auf Peymann, den aber Kaut nicht haben will, so muss er sich entscheiden, entweder mit Peymann oder gar nicht . Die schöne Stadt an der Salzach ist für mich das finstere Loch in die Hölle nach wie vor, in das ich mich nicht gern ohne alle nur möglichen Absicherungen hineinstürze. Dieses Land überhaupt stinkt, wenn schon nicht zum Himmel, so jedenfalls bei allen meinen Fenstern herein. 2
    Ich freue mich über eine gelungene Arbeit, das ist alles.
    Ich bin von Freitag bis Montag in Bochum, um den alten Verrückten zu sehen. Aber ich weiss schon, was das für eine Tortur ist, die eigenen Sätze, die man nicht mehr hören kann, noch einmal zu hören, in jedem Fall anders, als gedacht; einen widerwärtigen Prozess über mich ergehen zu lassen. Aber ich bin naturgemäss in die Schauspiel kunst verliebt, das ist wahr.
    Den Winter will ich weg sein, wo, weiss ich noch nicht.
    Sicher ist, dass ich mit Ihnen gern einmal wieder durch Wald und Wiesen fahre – und sei es zu einer Bierprinzessin auf einem Brauerschloss, aus welchem chilenische Peitschen knallen und devote Oberförster Grüssgott und, wie ich glaube, auch Gutenacht sagen.
    Ich denke an den Teich, in welchem der Watzmann sich spiegelt und aus welchem das Glück auf jeden Fall nicht so leicht abzuziehen ist, wie das Bier aus den Fässern. 3
    Sehr herzlich
    Th. B.
    1   Burgel Zeeh hat in der Tat in einem Brief vom 26. August an Th. B. den 6. September, 17 00 Uhr, Bundesbahnhotel, vorgeschlagen.
    2    Am Ziel wird (siehe Anm. 1 zu Brief 435) 1981 bei den Salzburger Festspielen uraufgeführt. Für die Verhandlungen mit den Salzburger Festspielen läßt Th. B. seinem Verleger am 21. November über Burgel Zeeh das folgende bestellen: »Anruf von Thomas Bernhard aus Mallorca. Wenn wir den Vertrag mit Kaut für ›Am Ziel‹ machen: er möchte den gleichen Anteil wie 1974 für ›Macht der Gewohnheit‹: DM 40.000.—. Alles darüber sei für den Verlag. Das sei sicher nicht zuviel verlangt, in den sechs Jahren sei auch alles teurer geworden, im übrigen sei das auch der Anteil, den Peymann bekäme. […] P. S.: Er bleibt noch eine Woche und ist dann in Ohlsdorf.«
    3   Th. B. hat mit S. U. im Juli das Anwesen von Inge und Bruno H. Schubert bei Berchtesgaden, das Bogensberglehen, besucht (siehe Anm. 2 zu Brief 407). Schubert war Besitzer der Henninger-Brauerei in Frankfurt und seit Beginn der fünfziger Jahre Generalkonsul von Chile.

[414; Anschrift: Ohlsdorf]
     
    Frankfurt am Main
    23. September 1980
    Lieber Thomas Bernhard,
    haben Sie Dank für Ihren Brief vom 15. 9. Es tut mir leid, daß die Infektion Sie so umgeworfen hat.
    Ich nehme zur Kenntnis, daß Sie Ihren Geburtstag unerwähnt lassen wollen. Ich bedaure das, denn meine Erinnerungen an Brüssel sind schön und lebhaft. Und man sollte sich zu seiner Existenz eben doch auch bekennen. 1
    Eher betroffen machte mich Ihre Haltung zu neuen Aufführungen des »Weltverbesserers«. Ich verstehe schon Ihre Bewunderung für Minetti, nicht jedoch diese Fixierung. Ich meine, wenn man

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