Der Briefwechsel
Südfrankreich, seit acht Tagen in Berlin. Und warum hat er sich nicht gemeldet? Immer wieder seine zarte Gewalt, der zärtliche Terrorist. Er wollte eigentlich mich gar nicht sprechen, sondern mit Burgel Zeeh einige Dinge regeln. Dann aber fragte er, ob schon viele Leute sein Buch in der Hand hätten; ich verneine das, erwähne, daß wir das Buch am 11. September herausbringen. Ja und die Leseexemplare? Ich sagte, die gebe es doch nicht, durch seine Korrekturen sei das unmöglich geworden. Da wurde er ganz explosiv. Der Zwang, Leseexemplare zu machen, habe ihn bei den Korrekturen in eine ›Panik‹ versetzt. ›Panik, verstehst du‹, sagte er, ›in Panik habe ich die Korrekturen gemacht.‹ Die Entscheidung, ein Leseexemplar nicht zu machen, kommentierte er als üble ›Machenschaften‹ des Verlages. Er wollte ja nie das Leseexemplar, die Leute sollen das wirkliche Buch lesen, aber wir hätten ihn mit dem Termin des Leseexemplars gedroht, gezwungen, erpreßt. Ich weiß nicht, ob Erklären hilft. In der Sache stimmte er mit uns überein, aber er kann nicht überwinden, daß wir das Leseexemplar ihm gegenüber angekündigt und ohne Erklärung dann abgesagt haben.«
Über die Begegnung in Königstein, vermutlich am 26. Juli 1979, notierte S. U. in der Chronik: »Er ist noch immer verschnupft wegen des Leseexemplar-Vorgangs. So wollte er nicht mit mir abend essen gehen; ich fahre ihn in den Taunus, wo er übernachtet, und wir sitzen vor dem ›Sonnenhof‹ und trinken von 19-22 h ein Glas Wein nach dem anderen, das der Ober uns immer komplizierterweise in den Garten bringen muß. Er fragt nicht, ob ich hungrig sei. Irgendwie ist dieser Zarte heute gewalttätig. Er wollte einen grundsätzlichen Dissens zwischen Autor und Verleger fixiert wissen, im Grunde genommen mache ein Verleger einem Autor gegenüber nur Tricks undsoweiter. Dann seine Wünsche: kein Klappentext, keine übliche Werbung, keine Anzeigen mit blöden Texten, wenn, dann nur mit den eigenen, Verbot aller Rezensionen, insbesondere von M . R .- R ., und an Weihnachten wünsche er sich doch, daß 100.000 Exemplare verkauft sind. An diesem Abend mußte ich meine Einsicht aufrufen, mich nicht mehr kränken lassen zu wollen. Sichtlich erschöpft kam ich nach Hause. Später sollte er mir dann eine Karte schreiben, die vielleicht ein anderes Licht
368 auf diesen Abend warf. Offensichtlich hatte ihm mein Widerspruch zu seinen Äußerungen und mein Widerstand zu seinen Überlegungen doch eingeleuchtet. Er schrieb mir: ›… Der Abend in Königstein sollte nicht ungültig werden.‹ Man muß schon von seiner Sache überzeugt sein und sich stark fühlen, um da nicht umzukippen.«
[289; Anschrift: Salzburg, Mönchsberg 17a 1 ]
Frankfurt am Main
27. August 1979
Lieber Peter,
hab Dank für Deine Karte von unterwegs. Du hast gesagt, Königstein soll gelten.
Du hast gesagt, Du möchtest keine Anzeigen mit den üblichen Stimmen. Ich habe dann selbst einen neuen Typus für Anzeigen in (nur) österreichischen Zeitungen entworfen. Ein Muster liegt hier bei und andere mögliche Texte ebenfalls. Ich habe die Absicht, das in verschiedenen Zeitungen so lange zu bringen, bis dann die ersten Stimmen vorliegen. Ich hoffe sehr, Du bist damit einverstanden.
Meldest Du Dich? Es gäbe einiges zu besprechen.
Herzliche Grüße
Dein
[Siegfried Unseld]
Anlagen [Entwürfe für Anzeigen]
Peter Handke Langsame Heimkehr : »… Und er erkannte sich in der eigenen Höflichkeit auch wieder: sie erzeugte an diesem Abend die Idee eines ›Landes‹, die der höfliche Sorger verkörperte und in deren Gestalt er sich ganz weitergab; sein Name deutete sogar die Provinz an, wo der Träger herstammte; und schließlich redete er so selbstver
369 ständlich, daß es niemandem auffiel, in seinem fast vergessenen Dialekt.«
Suhrkamp Verlag Frankfurt
Peter Handkes neues Buch Langsame Heimkehr . In allen österreichischen Buchhandlungen. 168 öS
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In einem handschriftlichen Brief vom 13. August 1979 schrieb P. H. an Burgel Zeeh von Paris aus: »Daß die Nachricht von meinem Umzug in den Zeitungen steht, davon bin ich ganz betroffen. Aber wie reagieren? Wenn es nach mir allein ginge, würde ich alles rückgängig machen und wieder hier wohnen, wo in den Straßen das stille Wasser fließt und niemand mich besonders meint. Aber … In der Wohnung am Mönchsberg (17A) werde ich so ab dem 26. August sein.« Das Haus gehört Gerheid und Hans Widrich, den P. H. seit der
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