Der Briefwechsel
beantworten. Sie wirkte für ihn als das Gegenteil einer Hilfe. Höhepunkt der Arroganz von Frau
398 Dessauer sei folgende Stelle gewesen: Er habe bei seiner Übersetzung die Formulierung ›asking‹ ausgelassen, weil er seinen Satz so formuliert habe, daß er vom Inhalt wie von der Form her eine besonders starke Frage darstelle, sein Satz schließe auch mit einem Fragezeichen. Frau Dessauer hätte ihm zurückgeschrieben: ›to ask hieße schließlich fragen‹, undsoweiter undsoweiter. Mindestens eine halbe Stunde. Jetzt sei für ihn das Manuskript fertig mit zwei Ausnahmen: der vorletzte und der letzte Satz solle gestrichen werden. Was die Börsen-Termini beträfe, die auch Frau Dessauer nicht kenne, so habe er nach Amerika geschrieben, und er würde das in der Fahnenkorrektur einfügen. Ich bat ihn um ein Nachwort. Nein, Frau Dessauer habe ihm das nun gründlich ›versaut‹. Er wird das aber doch noch schreiben. Das Problem der vielen Autoren des Verlages. Wenn er denke, mit wem sich Elisabeth Borchers alles beschäftigen müsse, es sei ja niemand da, der nur für ihn zuständig sei – ich habe das wohl gehört, und darüber müssen wir im Verlag nachdenken. Zur Honorierung: er weiß, 250 Seiten werden im Höchstfalle mit DM 25. – pro Seite honoriert, das ergibt einen Betrag von rund DM 6.000 –. Ich bot ihm DM 25.000 – an, das lehnte er ab, aber war hinterher dann doch einverstanden; freilich erwarte ich irgendwie, daß er den Betrag, den ich ihm jetzt überweisen lasse, zurückschickt, aber wir werden ja sehen. Nach einer Pause, die wir ausfüllten mit der Frage, daß die ›Linkshändige Frau‹ vorläufig nicht ins ›suhrkamp taschenbuch‹-Programm aufgenommen wird, daß wir aber ›Die Begrüßung des Aufsichtsrats‹ 1981 machen könnten, da jetzt die Lizenz beim dtv abläuft, die Taschenbuchrechte liegen bei ihm und nicht im Residenz Verlag; dtv hat ihm angeboten: Garantieauflage 20.000, 6 %, ab dem 50. Tsd. 7 %. Ich werde ihm ein anderes Angebot machen (siehe meinen Brief vom 8. 4.: 7 % und Garantie[auflage] 50.000). Das Schutzengelbild von Pongratz war ein paar Tage vorher eingetroffen, ein Lichtblick. Sonst wirkt alles wie ›deutsche. Zustände‹: Beton, hart, mächtig. Er sprach vom Unglückshaus in Kronberg. Fast hätten auch wir daran die Schuld. Übrigens wirke so auch der Bundeskanzler, der am Vortag ja in Salzburg angekommen war und den Karajan und seine Frau (was Handke unnötig fand) am Flughafen empfing. Dann, nach dieser Pause, sprachen wir über seine neue Arbeit, eine Mischung zwischen Erzählung und Manifest mit dem Titel ›Die Lehre der Sainte-Victoire‹. Er arbeitet täglich
399 acht Stunden daran, manchmal schafft er am Tag nur einen Satz. Es sei erschöpfend, auszehrend, und so sah er auch aus. Der Text sei eine Art Fortsetzung, Fortführung, Summe, Bilanz der ›Langsamen Heimkehr‹. Während in der ›Langsamen Heimkehr‹ nur am Schluß ein Ich auftauche, würde nun diese Erzählung ganz dieses Ich bringen. Bis Ende April sei er fertig. Dann ›müsse‹ das Buch noch im Herbst erscheinen. Drohend fügte er hinzu: schon einmal, beim ›Tormann‹, habe er sich meinem Rat gefügt, diesen Text, der im April/Mai fertig war, nicht mehr im Herbst zu bringen, sondern erst im darauffolgenden Frühjahr, und das habe ihm geschadet. Ich erwiderte freimütig, daß ich dies nicht glauben könnte, aber jetzt will er den Text im Herbst haben, zur Buchmesse. Er will viele Leser, aber keine professionellen. Überhaupt wolle er das Buch nicht als Novität behandelt sehen, und deshalb möchte er nach Art der ›Innenwelt‹ oder ›Als das Wünschen noch geholfen hat‹ eine Sammlung; es beginnt mit einem Gedicht ›Ende des Flanierens‹, dann folgen andere Gedichte und die erwähnten Texte zu Christian Wagner, Nicolas Born, Patricia Highsmith, Niki Lauda, Hermann Lenz, Karin Struck, Achternbusch und der Text, den er noch schreiben möchte: über Ludwig Hohl. In der Mitte sei dann als Kern die ›Lehre der Sainte-Victoire‹, und am Schluß kommt das Gedicht, das er aus der Schublade zog, er nannte es das ›Österreich-Gedicht‹. Ich werde das Schweigen nicht vergessen, in dem ich dieses Gedicht las und das mir auch sehr gut gefiel. Als ich leise Bedenken anmeldete, ob das wohl richtig sei, diese Erzählung so ›zu verpacken‹, wurde er sehr ausfallend, ich könne so etwas gar nicht bedenklich finden, wenn ich den Text nicht kenne. Aber ich sagte ihm auch, daß
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