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Der Briefwechsel

Der Briefwechsel

Titel: Der Briefwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Peter-Unseld Handke
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›Goethe für Ausländer‹. Handke will etwa 20 Maximen dafür auswählen und einen kurzen Kommentar dazu schreiben. Übrigens: die Schlußmaxime der ›Kindergeschichte‹ ist die Nummer 1063, it 200, Seite 185.«
    [321; Anschrift: Salzburg]
    Frankfurt am Main
    10. Dezember 1980
    Lieber Peter,
    Burgel Zeeh hat folgende Reisemöglichkeiten für Dich herausgefunden:
    Mittwoch, 17. Dezember 1980
    ab Salzburg
9.33 h
an Frankfurt
15.26 h (das ist ein durchgehender Intercity)
    Du könntest auch mit dem Zug nach München fahren:
    ab Salzburg
10.42 h
an München
12.19 h
    und von München aus nach Frankfurt fliegen:
    ab München
13.45 LH 754 oder 14.45 LH 755
an Frankfurt
13.45     15.45
    421 Ein Zimmer wäre in der Klettenbergstraße für Dich reserviert.
    Donnerstag, 18. Dezember 1980
    Hier bietet sich einfach der Flug an:
    ab Frankfurt
9.15 h OS  422
an Salzburg
10.15 h
    Du wärst also am Vormittag wieder zu Hause.
    Laß bitte von Dir hören. Ich würde mich sehr freuen, wenn Du kommen könntest. 1
    Herzliche Grüße
    Dein
    [Siegfried Unseld]
    1
P. H. war von S. U. eingeladen zu einer Begegnung zwischen deutschsprachigen Schriftstellern und Bundeskanzler Helmut Schmidt am 17. Dezember 1980 in der Klettenbergstraße 35. Die Teilnehmer: Max Frisch und Alice Carey, Martin Walser und Käthe Walser, Wolfgang Hildesheimer, Adolf Muschg und Frau, Uwe Johnson, Wolfgang Koeppen, sowie Elisabeth Borchers und Joachim Unseld. P. H. reiste zu diesem Anlaß nicht nach Frankfurt, vielmehr rief er am 17. Dezember 1980 S. U. an, um die Fertigstellung der ersten Niederschrift von Über die Dörfer mitzuteilen. Deshalb flog S. U. am 29. Dezember 1980 nach Salzburg. Im Reisebericht Salzburg, 29. Dezember 1980 , notierte er: »Es gab ein einziges Motiv für diese Reise: Peter Handke hatte mir sein dramatisches Poem ›Über die Dörfer‹ geschickt und wollte mit mir darüber sprechen. [Es traf am 25. Dezember 1980 in Frankfurt ein. Es umfaßte 100 Blatt und trug den Vermerk »Salzburg, Herbst 1980 und Winter 1980/81«.] Ich hatte es schon zweimal gelesen und las es dann ein drittes Mal beim Flug nach Salzburg, ein Flug, der übrigens herrlich war, weil die Alpen in wunderbarer Sicht ein majestätisches Weiß zur Schau stellten. Ein schmaler, blasser Handke erwartete mich. Er bereitete einen Tee, und kaum hatte er ihn in die Tassen gegossen, fragte er: ›Nun, wie gefiel dir das Stück?‹ Die Antwort auf diese Frage ist ebenso einfach wie kompliziert: Es ist ein Stück von Peter Handke, das heißt, es spiegelt sein poetisches Bewußtsein wider, das wir nun schon in den
422 drei Stufungen der ›Langsamen Heimkehr‹, der ›Lehre‹ und der ›Kindergeschichte‹ kennen. Das ist nun der vierte ›Sprung‹, der Abschluß dieses Komplexes. Das zweite: das Stück ist in der Form vollkommen neuartig, ich kenne keinen Vergleich. Es ist ein Stück ohne Dialoge, ein Stück ohne sogenanntes Dramatisches, die Figuren sprechen lange erzählerische Passagen, in denen freilich eine innere Dramatik deutlich wird; doch ich meine, daß es, rein formal gesehen, ein solches Stück, zumindest in der neueren dramatischen Literatur, nicht gab. Freilich, bei jedem Satz bemühte sich der Autor um seine Realität, die es in der Tat gibt: es sind drei Geschwister, zwei Brüder und eine Schwester, das Haus der Eltern soll nun mit einer Hypothek belegt werden, damit die Schwester eine eigene Geschäftsexistenz gründen kann. Gregor, die zentrale Figur, ist zunächst gegen die Änderung und für die Erhaltung des elterlichen Traumes, aber er ist bereit zur Änderung. Am Schluß tritt Beatrice auf, ein deus ex machina, und hält ihre Rede gegen die Verzweiflung der Welt und für die Freude, die fast eine heile Welt wieder schaffen kann. ›Schüttelt euer Jahrtausendbett frisch. Bewegt euch. […] Eure Kunst ist für die Gesunden, und die Künstler sind die Lebensfähigen. […] Tretet ein in das Maß der aufgehenden Sonne, die euer Maß sein wird. […] Verachtet die unernsten Spötter. […] Laßt euch nicht die Schönheit ausreden, die von uns Menschen geschaffene Schönheit ist das Erschütternde … Laßt euch nicht mehr einreden, wir wären die Lebensunfähigen oder Fruchtlosen einer End- und Spätzeit. Wir sind die Ebenbürtigen. Jeder von uns ist ein Weltbeweger. […] Jetzt ist die Heilige Zeit. […] Ihr seid die Gültigen. […] Die Freude ist die einzige rechtmäßige Macht. Ja, überliefert die Form,

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