Der Briefwechsel
vom Neunten Land‹) aufgeführt werden sollte. Und prompt stand es da. Nachher stellte sich wieder ›Menschliches‹ heraus: die Buchbinderei hatte von der 1. Auflage noch 450 Umschläge und wollte sparen und legte sie um, und ausgerechnet von diesen 450 Exemplaren stammte das erste Beleg-Exemplar, das ich Handke übergab! Fellinger sagte sofort, er habe alles in die Herstellung gegeben, aber er wurde doch hochrot, und die Unterhaltung stand danach unter keinem guten Stern. Handke wollte ›dieses‹ Jahr‹ Revue passieren lassen, noch einmal aufarbeiten, was geschehen sei bzw. nicht geschehen sei. Ich war als erster an der Reihe. Er verzieh mir nicht, daß ich über drei Wochen zum Lesen des Textes gebraucht habe, und er nahm meine Erklärung, daß das Lesen von Kopien seiner Handschrift äußerst mühsam sei, nicht ab. Und dann hätte ich mit ihm zwar telefoniert, aber er hätte nicht den Eindruck gehabt, ich hätte mich gefreut, und außerdem hätte ich ihm nie geschrieben und nur das schriftliche Wort zähle. Unser dreimaliges Zusammentreffen (zweimal in Paris, einmal in Frankfurt) ließ er nicht gelten. Jetzt erst habe ich ihm einen Brief geschrieben, der ihn gefreut habe. Dann kam er auf die Transkription zurück; ihm paßte nicht, daß mehrere (fünf oder sechs) Sekretärinnen das Manuskript abgeschrieben haben; Frau Weidner hätte es machen müssen, aber hier wandte Burgel Zeeh ein, daß das viel länger gedauert hätte, als er meine. Niemand könne mehr als 15 Seiten am Tage schreiben, und dies vielleicht auch nicht jeden Tag hintereinander. Fellinger sei zwar immer für ihn dagewesen, aber er sei letztlich doch nicht der richtige kritische Partner. So habe er Rainer Weiss gebeten, mitzulesen. Der aber habe zunächst nicht reagiert, dann sollte ein Gespräch zu dritt stattfinden, aber das sagte nun Handke ab. Nach der Absage von Handke meldete sich Weiss nicht mehr, und das wurde ihm nun von Handke bitter vorgehalten. […] Dann kamen wir ausführlich auf die Geschichte des Ankündigungstextes. Ich hatte mir bei meiner zweiten Lektüre Notizen gemacht, aber sie reichten für mich nicht aus, um den Text zu schreiben. Dann schrieb Fellinger einen Text, der mir auch nicht ausreichend schien. Ich habe dann seinen Text etwas kor
648 rigiert und mit meinen Zitaten erweitert. Das alles zog sich hin, während dem war die Vorschau praktisch fertig umbrochen und lag schon im Film vor. Nur die Handke-Seite war noch offen. Hätte man den Text noch zu Handke geschickt und wäre [er] nicht einverstanden gewesen, so wäre der Termin der Vorschau auf unvordenkliche Zeit unsicher gewesen. So entschied ich, daß wir den Text drucken sollten, daß dies Handke nicht freute und er mir dann einen ›Machenschaften‹-Brief [siehe Brief 521] schrieb, war zu erwarten, aber das war wirklich ein Fehler, und dafür habe ich mich ja auch entschuldigt. […] Und dann das Lügen des Verlegers und wieder Machenschaften des Verlages. Die beiden Vorgänge: Am Mittwoch, dem 26. Oktober 1994, übergab ich Peter Handke das erste Exemplar des Buches ›Mein Jahr in der Niemandsbucht‹. Er sollte es lesen und uns bis Donnerstagnachmittag eventuelle Fehler durchgeben. Wir besprachen auch den Preis von DM 78.–. Ich sagte ihm zweierlei: am Freitag, dem 28. Oktober, würden zehn Aushänger verschickt, und am Montag, dem 31. Oktober, würde die Auslieferung beginnen, so daß frühestens am Donnerstag die gebundenen Bücher in den Händen der ersten Leser seien. Jetzt kam die Handke-Geschichte: die Bildarchivarin der › FAZ ‹ bat unseren Bildarchivar um ein Exemplar, ihr Freund sei hier, führe abends ins Ausland und er sei ein Handke-Fan und würde doch gern das Buch haben. Unser Archivar ging zu Herrn Hagestedt [zu diesem Zeitpunkt Leiter der Presseabteilung des Suhrkamp und Insel Verlags], bat, man möchte doch eine solche ›Gefälligkeit‹ erweisen, da man ja viel zusammenarbeite, und Herr Hagestedt gab ein Exemplar heraus. Der Freund der FAZ -Archivarin [Stephan Peter Jungk] setzte sich ins Flugzeug nach Paris, dort rief er Handke an, er habe das Buch gelesen! Also zwei Tage später, nachdem ich ihm sagte, er habe das Buch für sich, meldete sich jemand, der das Buch schon hatte. Erste Lüge des Verlegers. Die zweite: Von Fellinger, der mit seiner Frau einer Handke-Einladung nach Chaville am 29./30. Oktober gefolgt war, erfuhr Handke, daß nicht zehn Aushänger, sondern nur drei verschickt wurden. Dies wußte ich nicht, ich war
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