Der Briefwechsel
sehen – ich wußte nicht, daß Hegner seine Produktion einstellen wird. Rundum sterben Verlage.
246 Jean-Marie Straub war mit seiner Frau hier. Ich hoffe, auch sie hatten einen anderen Eindruck von uns, denn Frau Straub hat ja bei ihren Fernseh-Auftritten Scheußliches über den Verlag und seine Zensur gesagt. Obschon Straub zum zweiten Mal sein mir gegebenes Wort gebrochen hat, wandte ich mich noch einmal an Stefan Brecht. Von seiner Entscheidung bin ich freilich abhängig. Doch ich habe es wichtig gemacht, und es sieht so aus, als würde die Sache vielleicht doch noch zu klären sein. 1
Wann schickst Du Dein Manuskript? Ich warte sehr darauf. Ein Gedicht möchte ich dann in der »suhrkamp information« vorveröffentlichen dürfen. Vielleicht machst Du dazu einen Vorschlag?
Ich fahre jetzt in die Schweiz und dann für sechs Tage nach St. Moritz. Schaffler kommt mit seiner Frau ebenfalls dort hin und wir werden die Gespräche führen, deren Hintergrund Du kennst. 2
Herzliche Grüße
Dein
[Siegfried Unseld]
1
Die Chronik vermerkt unter dem Datum des 10. Januar 1974: »10. Januar: Jean-Marie Straub kommt mit seiner Frau in den Verlag. Die ›Frankfurter Rundschau‹ [Wolfram Schütte, Wer schadet da wem? 10. Januar 1974: »Daß sich Siegfried Unseld […] noch in dieser Woche mit Straub trifft, scheint […] ein gutes Zeichen zu sein.«] hatte dieses Gespräch schon öffentlich angekündigt, Straub hat unrechtmäßig Brechts Caesar -Fragment verfilmt, gegen unser Veto hat er es einmal aufgeführt, er versprach es danach nicht mehr zu tun, ich versuchte eine Vermittlung mit Stefan Brecht, dann ließ Straub ein zweites Mal den Film in New York zeigen. Ob jetzt eine Einigung mit Brecht noch möglich ist, steht dahin.« Jean-Marie Straub/Danièle Huillet, Geschichtsunterricht , entstand 1972.
2
S. U. hielt sich zwischen dem 15. und 24. Februar in Zürich, St. Moritz und Poschiavo (dort besuchte er Wolfgang Hildesheimer)
247 auf. In St. Moritz sprach S. U. mit Wolfgang und Gudrun Schaffler über eine Kooperation zwischen dem Residenz und dem Suhrkamp Verlag in Österreich.
[201; Anschrift: Paris]
Frankfurt am Main
13. Februar 1974
Lieber Peter,
ich schreibe Dir heute in der Film-Sache »Wilhelm Meister/Falsche Bewegung«. Wir hatten ja vereinbart, daß ich Dir bis zum 15. Februar Nachricht gebe. Die Sache sieht nun so aus:
1.
Es wird in der Tat sehr schwer möglich sein, einen Film zu realisieren auf der Basis des jetzigen Drehbuchs und mit dem Regisseur Wim Wenders. Sicherlich kann man einen Film produzieren, aber man muß von vorneherein einsehen, daß das nur eine »kleine Sache« werden kann, die ganz klar keine ökonomischen Chancen, d. h. Verleih-Chancen hat. Es würde in jedem Fall, nach den heutigen Verhältnissen, nur ein Film werden, der in einem »Kultur«-Verleih bei wenigen Kinos ankäme.
2.
Nach unserem letzten Telefonat sind wir der Fährte Romy Schneider nachgegangen. Sie hat den Text gelesen, an sich ist sie von der Sache angetan, auch von der Rolle, die sie darin spielen könnte, nur das jetzt angebotene Volumen von Drehbuch und Regisseur reicht ihr nicht aus. Ihre Vorstellung wäre die einer Erweiterung des Drehbuchs und eine Inszenierung durch einen Regisseur wie etwa Louis Malle, mit dem sie ohnehin einen Film machen möchte. Sie könnte sich vorstellen, daß Louis Malle von den französischen Regisseuren noch am ehesten dafür in Frage käme, und sie könnte sich auch vorstellen, daß ihm an diesem Stoff läge und in jedem Fall an einem Zusammenwirken und Zusammenarbeiten von Louis Malle, Romy Schneider und Peter Handke. Was würdest Du zu einer solchen Lösung sagen? Wenn dies Dich interessieren könnte, würde ich mich nach wie vor an einem Filmprojekt interessiert zeigen. Wenn nicht, möchte ich den mir von Dir erteilten Film-Produktionsauftrag niederlegen.
Selbstverständlich ist ein bedeutender Fernsehfilm jederzeit zu realisieren. Wir haben bei unseren Gesprächen auch festgestellt, daß es möglich wäre, ihn noch in diesem Jahre 1974 zu realisieren, insofern könnten wir also vielleicht doch noch mehr erreichen, als Dir ursprünglich durch Braun angeboten wurde. Falls Du das wünschst, werde ich mich gerne in dieser Richtung engagieren, aber es müßte klar sein: es wäre dann kein Film-Projekt, sondern primär ein Fernsehprojekt mit möglicher späterer Filmauswertung.
Ich schreibe Dir diesen Brief, damit Du darüber nachdenken kannst; ich wollte Dich damit nicht
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