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Der Bronzehändler

Der Bronzehändler

Titel: Der Bronzehändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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Schneise in den Schilfgürtel des Mu-Wer-Sees der Scha-Resi-Oase ein; in kurzen Abständen warteten Soldaten in Binsenbooten und beleuchteten die Fahrrinne mit Fackeln. Die schwarzen Ruderer der Sachmet, schwer bewaffnete Nehesi-Bogenschützen, holten schweißtriefend und keuchend Luft. Auch Sokar-Nachtmin, der zwischen den Leinenvorhängen dem Goldhorus gegenübersaß, trug seine Waffen.
    »Herr«, sagte er leise, »weder du noch ich lieben grausame Strafen. Ich habe oft mit Cha-Osen-Ra und Ikhernofret gesprochen. Die alten Gesetze sind gut. Sie müssen wieder für jeden Rômet gelten.«
    Chakaura blinzelte und wischte Schweiß von den Armen. Er rückte die helmartige, dunkelblau geschuppte Chepereschkrone zurecht. Er schien weder die junge Frau noch den dunkelhäutigen Wedler wahrzunehmen. Nefret-Senai lehnte in einer Ecke und hielt den Bierkrug zwischen den Knien. Chakauras Stimme klang dunkel und brüchig.
    »Die neue Zeit ist schwierig. Die bronzenen Jahre, das bessere Leben für alle – sie zwingen mich, Antworten in der Vergangenheit zu suchen. Die Götter geizen mit Rat.«
    »Mein Rat ist, Herr, das Übel auszurotten. Und diejenigen zu töten, die Übles verschuldet und getan haben. Das Volk blickt auf dich und die großen Zeichen der Vergangenheit: selbst der erste Einiger der Lande, Nar-Mer, der starke Wels, ist in jedem Mund.«
    »Dein Rat, Ikhernofrets Rat, die Sehnsucht von Millionen – ist es auch der Wille der Götter?«
    Der Goldhorus zuckte mit den Schultern und spielte mit den ausgebreiteten Schwingen des Falken im Brustschmuck. Die Nacht und die flackernden Lichter an Deck und im Schilf zerfraßen die Farben. Das Bild des Schiffes spiegelte sich in den Schlieren des Sumpfwassers und floss auseinander. Sokar-Nachtmin blickte ins dunkle Schilf.
    »Ich weiß es nicht, Herr.«
    »Was würden die Fürsten von Kefti und Alashia tun, wenn sie an meiner Stelle wären?« Chakaura legte die Hand auf den Dolchgriff, zog die Waffe und betrachtete die Eisenschneide. »In ein paar Stunden ist es zu spät, darüber nachzudenken. Deine Männer wissen, was sie zu tun haben?«
    »Morgen früh werde ich mit jedem noch einmal sprechen, mit den zuverlässigen Unterführern. Auf Userhet ist ebenso Verlass wie auf Peser und eine Handvoll anderer, die schon deinem göttlichen Vater gedient haben.«
    Der Durchbruch im Schiff weitete sich, der Schnellruderer schob sich auf die Ansammlung von Lichtern zu. Sumpffischer hatten mit Netzen und Flechtwerk an einer seichten Stelle große Hapiwelse zusammengetrieben; zwei oder zweieinhalb Ellen lange, besonders reizbare Fische, die über eine einzigartige Eigenschaft verfügten. Alle Arbeiter, Sklaven und Fischer waren vom Rand des Sees zum Ende des Kanals geschickt worden: Chakaura wollte keine Zeugen. Am Ende eines Bretterstegs, der von einer Sandaufschüttung durchs Schilf führte, hatte ein Lastschiff festgemacht. Aus allen Richtungen paddelten Soldaten in Binsenbooten heran und knoteten Halteseile an den Pfählen fest, die das annähernd runde Becken umgaben. In den Booten standen dicke Bündel trockener Binsen, mit Öl gefüllt, im Heck staken blakende Fackeln. Chakaura stand auf und zog den Vorhang zur Seite. Die Soldaten schlugen mit den Keulen gegen die Schilde und klapperten mit Pfeilen gegen die Bogen, als Chakaura die Stufen zum Bug des Schiffes hinunterging.
    Von Soldaten in Lederhelmen bewacht, im flackernden Licht der Fackeln, standen etwa ein Dutzend Gefangene, an den Händen gefesselt, im Bauch des alten Lastschiffes. Die Sachmet trieb näher, die Riemen peitschten rückwärts, das Schiff schob sich zwischen den Bug des Bootes und den Steg. Die Bogenschützen zündeten Öl in den trockenen Binsen an; ein Dreiviertelkreis aus spiegelnden Flammen, die prasselnd in die Höhe züngelten, umgrenzte das Becken. Chakaura hob die Streitaxt; sein schwerer Blick heftete sich auf das graubraune Wasser, unter dessen Oberfläche sich lange Körper wanden und drehten. Schwänze und Flossen peitschten, unaufhörlich platzten Blasen und entließen fauligen Geruch; zwischen den Mauern aus Schilfhalmen zitterte ein halblautes Geräusch, das weder Chakaura noch Sokar-Nachtmin deuten konnten: leises Plätschern, Gemurmel, seltsame Laute und das Sirren, mit denen Tausende Mücken in den Flammen verschmorten. Chakaura legte den linken Arm auf die farbige, vergoldete Lotosblüte aus Akazienholz, die den Bug krönte, und starrte in die Gesichter der Gefesselten.
    »Das, was die Götter

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