Der Bronzehändler
im weiten Bogen zurück und endeten in völligem Wohlgefühl. Er blickte Tamahat an, ihre Augen trafen sich über den Rändern der Becher. Während sie tranken, glitt seine Hand unter den Saum ihres Schurzes und an der Innenseite des Schenkels entlang.
»Wir werden lange sprechen können, Liebste«, sagte er leise. »Über alles. Zuerst über Kush und Wawat, dann über uns.« Im schwankenden Spiegel des Weins sah er ihr Gesicht und hob den Blick. Er lachte. »Du wirst mehr erfahren – über mich: kein nutzloses Wissen. Vielleicht weiß auch ich dann etwas mehr – über dich, von dir.«
»Ich bin eine einfache Frau«, sagte Tamahat leise. »Vielleicht enttäusche ich dich, wenn du mehr über mich weißt.«
Er zuckte mit den Schultern und trank. Das Boot schwankte. Einige Tropfen Wein fielen, blutrot, auf seinen Schurz.
Als der Schnellruderer in das Geviert des Hafens glitt, in dem sich Palmen, kantige weiße Mauern und unzählige Sandsteinsäulen spiegelten, blickte Karidon verblüfft um sich: er erkannte die Umgebung des Palastes nicht wieder. Von der Straße, die vom westlichen Ufer Men-nefers hierher führte, zweigten einige neue Wege ab. Niedrige Palastbauten erstreckten sich nach links, der Tempel des Ptah, der Sachmet, des Month und des Nefertem, erweitert um Höfe, Gärten, Haine, Priesterquartiere und grüne Flächen, gliederte sich mit dem Durcheinander der Handwerkerhäuschen entlang der Mauern nach links; überall standen Gerüste. Schier endlose Reihen Ziegel trockneten in der Sonne. Aus Tama-Hathor-Merits Stimme klang Stolz, als sie sagte:
»Die Söhne und Töchter der Gaufürsten, die Soldaten und Handwerker, die Schreiber ... sie brauchen Wohnstätten. Dort: Kornspeicher und Vorratshäuser.«
»Ein Bild des Friedens und reger Geschäftigkeit«, sagte Karidon. Sie standen im Bug, hinter der farbigen und vergoldeten Lotosblüte aus glattem Holz. Das Boot legte zwischen dünnen Granitsäulen an. Eine Gruppe Diener wartete, ein Schreiber trabte aus der unübersichtlichen Baumasse des Palastes mit seinen Eingängen, Säulen und Bilderwänden heran. Tama-Hathor-Merit lächelte, in sich gekehrt.
»Ikhernofret wird dich bald holen lassen. Nimm deine Shafadurollen. Du wirst im Gästehaus wohnen – ich erwarte dich abends, nachts. Mudnedjemet holt dich ab, Liebster.«
Karidon lehnte sich an die Bordwand, um sie vorbeigehen zu lassen. Als sie im Palast verschwunden war, nahm er sein Gepäck und folgte dem Schreiber zum Gästehaus, das er um mehr als das Dreifache vergrößert fand. Nur einen Teil des Gartens und die Mauern des Tempelbezirks, auf denen er den Priester mit dem Taubenkäfig gesehen hatte, erkannte er auf den ersten Blick wieder. Nach der Stunde der größten Hitze, nach einem kurzen, kühlen Schlaf, bat ein Diener des Tatji Ikhernofret Karidon in den Palast.
12. Im Weihrauch des Tempelopfers
Der traumlose Schlaf schien seine Gedanken beruhigt zu haben. Jetzt drängten sich Empfindungen, Überlegungen und Folgerungen wieder in den Vordergrund: der unerträgliche und unersetzliche Pije-Ipi, Zahlen und Begriffe fressend, wiederkäuend und hervorwürgend wie ein krankes Stierkalb, Tatji Ikhernofrets kalte Betrachtung von Macht und Machtmitteln, Adji-Mer Cha-Osen-Ras berechenbare Emsigkeit, die Ruhe und das zufriedene Nicken Sokar-Nachtmins, das Rascheln wortloser Schreiber und über allem Karidons Stimme, die von seltsamen Menschen und Dingen aus dem riesigen Schattenschlingerland berichtete; klar, knapp und in einer Deutlichkeit, die mitunter schmerzte. Die Sprache zeigte Chakaura eine schwer begreifbare Welt, weil die Worte Fremdheit und andere Überzeugungen mit sich trugen; er roch die Opfergaben, die hinter ihm hergetragen wurden; längst kannte er die Namen der Diener und Sklavinnen nicht mehr, die den Palast füllten wie ein summender Bienenschwarm: zu viele, zu viele Unbekannte, denen er befahl, aber nicht vertrauen durfte. Palmen und Mauern warfen lange Morgenschatten, die Krone, der Schmuck und der vielfaltige Schendit-Schurz schienen granitschwer auf seinem Körper zu lasten.
Taufeuchte Grashalme kitzelten die Zehen. Das Gurren der Tauben wurde unerträglich, als sich die doppelt mannshohen Tore der Tempelmauer öffneten. Auch dieses Bauwerk, Symbol des Aufstiegs aus dem Urschlamm, zeigte die Trockenlinien der letzten Überschwemmung. Vor der Mauer des ersten Tempelhofes standen einige Dutzend Menschen an den Toren des Nischenhofes und warteten darauf, dass sie Gebete und
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