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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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sich beim Mullah, daß Allah ihn im Stich gelassen habe, obwohl er regelmäßig bete und sich nicht mit Frauen abgebe. Hatte er etwa seine Frau nicht geliebt und ihr einen Laden gegeben? Und jetzt weigerte sie sich, mit ihm nach Hause, nach Bombay, zu kommen.
    Anwar beklagte sich auch bei mir über Jeeta, während wir wie zwei Schulschwänzer in der Vorratskammer hockten. »Ich will jetzt nach Hause«, sagte er. »Ich habe genug von diesem verdammten Land.«
    Doch die Tage vergingen, und ich beobachtete, welche Fortschritte Jeeta inzwischen machte. Sie wollte bestimmt nicht zurück in die Heimat. Es war, als hätte sie von Jamila gelernt, welche Möglichkeiten sie besaß; das Kind war zum Vorbild der Mutter geworden. Die Prinzessin wollte sich nämlich eine Lizenz besorgen, um in ihrem Laden Alkohol verkaufen zu können; sie wollte Zeitungen anbieten und das Warensortiment erweitern. Das alles konnte sie sich genau vorstellen, doch Anwar verhielt sich einfach unmöglich, man konnte kein vernünftiges Wort mit ihm reden. Wie so viele moslemische Männer - angefangen mit dem Propheten Mohammed selbst, dessen unfehlbare Behauptungen, frisch von Gott eingeflüstert, zwangsläufig zu absolutistischer Herrschaft führen mußten - dachte Anwar, er hätte immer recht. Zweifel kannte er nicht.
    »Warum akzeptierst du Jeetas Vorschläge nicht?« fragte ich ihn.
    »Warum? Was soll ich denn mit dem Profit anfangen? Wieviele Paar Schuhe kann ich tragen? Wie viele Socken? Soll ich noch mehr essen? Dreißig Frühstücke statt eins?« Und dann sagte er jedesmal: »Alles ist gut so.«
    »Glaubst du das wirklich, Onkel?« fragte ich ihn eines Tages. »Nein«, antwortete er. »Alles wird immer schlimmer.«
    Sein moslemischer Fanatismus - Allah war für alles verantwortlich - deprimierte mich. Ich war jedesmal froh, wenn ich wieder gehen konnte. Außerdem war mein Leben auf der anderen Seite des Flusses zur Zeit wesentlich spannender. Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, mich in Eleanor zu verlieben, und ich machte Fortschritte.
    Wie ich gehofft hatte, sagte Eleanor nach den Proben fast jedesmal: »Kommst du später noch ein bißchen zu mir?« Und sie beobachtete mich ängstlich, biß sich auf die Fingernägel, knabberte mit den Zähnen an der Haut rings um ihre Nägel und wickelte sich eine Strähne ihres langen roten Haares um den Finger.
    Schon bei Probenbeginn hatte sie meine Angst und Unerfahrenheit gespürt und mich getröstet. Eleanor hatte bereits in Kino- und Fernsehfilmen mitgespielt und war im West End aufgetreten. Neben ihr kam ich mir wie ein kleiner Junge vor, und trotzdem gab es auch etwas in ihr, was mich brauchte, etwas Schwaches, nicht unbedingt Freundliches oder Leidenschaftliches, so als wäre ich eine Art Trost nach langer Krankheit, vielleicht etwas zum Streicheln. Jedenfalls griff ich an, sobald ich diese Schwäche entdeckte. Ich hatte noch nie eine so reife und schöne Frau kennengelernt, und ich bestärkte sie in der Idee, mit mir ausgehen zu wollen, weil ich hoffte, daß man uns dann für ein Pärchen hielt. Ich fing an, sie in ihrer Wohnung in Ladbroke Grove zu besuchen. Das war eine Gegend, die nach und nach von den Reichen wieder restauriert wurde, wo vor den Kneipentüren aber immer noch die Dealer mit Dreadlocks herumlungerten, während man drinnen an den Tischen den Dope mit dem Messer zerteilte. Neuerdings ließen sich hier auch ziemlich viele Punks sehen, die wie Charlie in zerfetzten schwarzen Klamotten herumliefen. Das war der letzte Schrei: Sobald man seine Klamotten vom Kaufhaus nach Hause geschleppt hatte, wurden sie mit einer Rasierklinge aufgeschlitzt. Außerdem traf man hier Kids, die an Forschungsaufträgen arbeiteten, Bücher herausgaben oder etwas Ähnliches machten: Sie hatten zusammen in Oxford studiert, brausten in glänzend roten oder blauen italienischen Kleinwagen zu den Wein-Bars, hatten Angst, die Schwarzen würden ihnen die Autos knacken und waren zu diplomatisch, um ihre Befürchtungen auszusprechen.
    Wie dumm ich doch war - wie naiv. Meine mangelhaften Kenntnisse von London ließen mich glauben, daß meine Eleanor längst nicht so bourgeois sei, wie sie es tatsächlich war. Sie zog sich nachlässig an, trug viele Schals, lebte in Notting Hill und redete - manchmal - mit einem Catforder Akzent. Meine Mutter wäre über Eleanors Kleider und ihre Manieren entsetzt gewesen: Alle zehn Sekunden sagte Eleanor »verdammt« oder »Scheiße«. Eva hätte das nichts ausgemacht, doch sie wäre

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