Der Buddha aus der Vorstadt
meinem Fahrrad nach Hause, wenn ich wußte, daß meine Kleine gut zugedeckt und beschwipst im Bett lag, einen Roman von Jean Rhys oder Antonia White in der Hand, um sich aufzumuntern. Natürlich wäre es mir lieber gewesen, ich selbst wäre ihr Schlummertrunk gewesen.
Eleanor hatte ohne Frage bereits mit einer großen und willkürlichen Auswahl von Männern geschlafen, doch als ich ihr vorschlug, mit mir ins Bett zu gehen, sagte sie: »Ich glaube, im Moment sollten wir das lieber lassen, meinst du nicht auch?« Ich fand das als Mann verdammt beleidigend. Wir streichelten uns ständig, rein freundschaftlich, und wenn es zuviel wurde (alle paar Stunden), dann klammerte sie sich an mich und weinte, aber die große Streichelei war tabu.
Ich merkte bald, daß Eleanors wichtigster Schutzengel und mein Hauptrivale im Kampf um ihre Zuneigung ein Mann namens Heater war. Er war der Straßenfeger in diesem Bezirk, ein ungeheuer fetter und häßlicher Hundert-Kilo-Schotte mit schwerer Arbeiterjacke, um dessen »Fall« sich Eleanor bereits seit drei Jahren kümmerte. Jeden Abend, wenn er nicht im Theater war, kam er vorbei, saß in der Wohnung, las Balzac in Übersetzung und machte seine fiesen, großkotzigen Kommentare zu den neuesten Aufführungen vom »Ring« oder »King Lear«. Er kannte wahnsinnig viele Schauspieler, besonders linksgerichtete, von denen es in diesen politischen Zeiten nicht gerade wenig gab. Heater war der einzige Mensch aus der Arbeiterklasse, den die meisten von diesen Schauspielern je zu Gesicht bekommen hatten. Er wurde zu einer Art Symbol der Massen, erhielt deshalb beinahe zwangsläufig auch Karten für Premieren und für die Feiern danach und hatte ein regeres gesellschaftliches Leben als Cecil Beaton. Er kreuzte sogar zu Generalproben auf, um als »Mann von der Straße« seine Meinung abzugeben. Wenn man Heater nicht vergötterte - und ich haßte jeden widerlichen Zentimeter dieses Mannes - und ihn nicht als das authentische Sprachrohr des Proletariats verehrte, kam man entweder aus der Mittelklasse (und war damit als Krimineller geboren, straffällig geworden durch die Geburt), oder die Genossen und ihre Sympathisanten hielten einen verdammt schnell für snobistisch, elitär, scheinheilig, für einen Proto-Goebbels.
Ich kämpfte mit Heater um Eleanors Gunst. Wenn ich zu dicht bei ihr saß, funkelte er mich an; wenn ich sie zufällig berührte, weiteten sich seine Augen und flackerten wie eine Gasflamme. Der Sinn seines Lebens war, sich um Eleanors Glück zu sorgen, und das war anstrengender, als die Straße zu fegen, da Eleanor sich selbst gründlich verabscheute. Sie konnte sich nicht ausstehen und verlangte trotzdem, daß man ihr Komplimente machte, denen sie allerdings nie Glauben schenkte. Doch sie erzählte mir von den Komplimenten: »Weißt du, was Soundso heute morgen gesagt hat? Als er mich umarmte, meinte er, er liebte meinen Geruch, meine Haut und die Art, wie ich ihn zum Lachen bringe.«
Als ich diesen Aspekt meiner Beziehung zu Eleanor meiner Beraterin Jamila erzählte, enttäuschte sie mich nicht. »Himmel noch mal, du milchgesichtiger Feuerschlucker, du einhundertprozentiger Trottel, genau so sind sie, diese Typen, diese Schauspielerinnen und der ganze eitle Rest. Die Welt steht in Flammen, und sie kämmen sich die Augenbrauen. Oder sie versuchen, die brennende Welt auf die Bühne zu zerren. Denen würde es im Traum nicht einfallen, die Flammen zu löschen. Auf was hast du dich nur eingelassen?«
»Auf die Liebe. Ich liebe sie.«
»Aha.«
»Und sie will mich nicht einmal küssen. Was soll ich bloß tun?«
»Bin ich jetzt vielleicht deine Kummerkastentante?«
»Ja.«
»Okay«, sagte sie. »Versuch nicht, sie zu küssen. Warte, bis ich dir Bescheid gebe.«
Mag sein, daß Eleanor eitel und selbstverliebt war, wie Jamila sich ausdrückte, doch Eleanor wußte nicht, wie man für sich selbst sorgt. Sie kümmerte sich nur um andere. Sie kaufte mir Blumen und Hemden und ging mit mir zum Friseur; sie war den ganzen Tag auf der Probe, machte Heater danach etwas zu essen und hörte ihm am Abend geduldig zu, wenn er ihr von seinem vergeudeten Leben vorjammerte. »Frauen werden dazu erzogen, sich um andere zu sorgen«, antwortete sie, als ich ihr sagte, sie müsse besser auf sich achtgeben und mehr an ihre eigenen Interessen denken. »Wenn ich anfange, über mich nachzudenken, wird mir schlecht«, meinte sie.
Vor kurzem hatte ein vielseitig begabter Theaterregisseur mit einem Faible
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