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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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Schauspieler, drei Männer und drei Frauen. Zwei von uns waren offiziell »schwarz« (obwohl ich, genau besehen, eher beige als alles andere war). Keiner von uns war älter als dreißig Jahre. Außer mir kam nur Carol mit dem verkniffenen Gesicht aus Suburbia (deshalb durchschaute ich ihre ehrgeizige Tour auch sofort), und sie hatte schon einmal mit Pyke gearbeitet. Dann war da noch die neunzehnjährige, schwarze Schauspielerin Tracey mit ihren unerschütterlichen, wenn auch etwas seltsamen Ansichten, und die rothaarige Eleanor, Anfang zwanzig. Sie schien routiniert und ziemlich vernünftig zu sein, und im Unterschied zu Carol tat sie nicht ständig so, als wäre sie ein Star. Die beiden männlichen Schauspieler, Richard (schwul) und Jon, gehörten zur Sorte der verläßlichen, zynischen Gelegenheitsschauspieler, die sich seit Jahren in den Londoner Alternativtheatern herumtrieben und für einen Anteil von den Karteneinnahmen in Zimmern über Kneipen, in Kellerlöchern, auf Festivals oder bei Straßentheatern spielten. Sie waren nicht besonders anspruchsvoll: Sie verlangten nur eine gute Rolle, einen Regisseur, der weder ein Narr noch ein Diktator war, und nicht weit vom Spielort eine gemütliche Kneipe mit vernünftigem Bier. Außerdem gehörte eine Schriftstellerin zur Gruppe, Louise Lawrence, eine ernste und selbstgenügsame Frau aus dem Norden, die eine Brille mit dicken Gläsern trug und wenig sagte, aber jedes Wort aufschrieb, besonders die dummen Bemerkungen.
    Jeden Morgen um zehn radelte ich nach Chelsea, Evas Kraftfrühstück - mit Pilzen überbackenen Toast - im Magen, und fuhr zur Feier des Tages und meines Lebens freihändig rund um die Kirche. Ich hatte mich noch nie so fantastisch gefühlt. Dies war in mehr als einer Hinsicht meine große Chance.
    Pyke, mit ergrautem Haar und athletischem Körper, in blau glänzendem Trainingsanzug, saß meistens am Tisch, die Füße auf einem Stuhl. Lachende Schauspieler und zwei Inspizientinnen, junge Mädchen, die ihn vergötterten und beinahe so etwas wie seine persönlichen Dienerinnen waren, umringten ihn. Die Inspizientinnen kümmerten sich um seine Zeitungen, seinen Orangensaft und organisierten seine Trips nach New York. Die eine trug sein Notizbuch, die andere die Bleistifte und den Anspitzer. Sein Wagen (den Richard nur »Pvkes Penis« nannte: »Pykes Penis blockiert die Auffahrt« oder »Pykes Penis beschleunigt in dreißig Sekunden von Null auf hundert«) war den Inspizientinnen wichtiger als alles andere. Und jeden Morgen verbrachten sie viele Stunden am Telefon, um Pykes Verabredungen mit Frauen zu arrangieren.
    Die Atmosphäre, die Pyke um sich herum schuf, war völlig anders als bei Shadwells angespannten und chaotischen Proben, die Shadwell für die Arbeitsweise eines Genies hielt. Bei Pyke begann der Morgen mit Frühstück und ausführlichem Klatsch, der so grausam und drastisch war, wie ich ihn vorher noch nicht gehört hatte. Meine Mutter hätte uns verboten, so über jemanden zu reden. Pyke fiel über andere Regisseure her (»Der kann doch nicht mal anständig einen Löffel zum Mund führen, geschweige denn ein Theater«); über Schriftsteller, die er nicht mochte (»Ich hätte ihn ohne Gewissensbisse zu Stalin zur Umerziehung geschickt«); und über Kritiker (»Beim Anblick seiner Visage kriegt jede Schwangere eine Frühgeburt«). Danach standen wir dann auf und spielten Fangen, Sackhüpfen oder »Wie spät ist es, Herr Wolf?«.
    Mir kam das alles nicht gerade wie Arbeit vor, und ich dachte gern daran, was die Vorstadtpendler in unserer Straße, die mit ihren Steuern für uns zahlten, wohl von einer Bande Erwachsener gehalten hätten, die vorgaben, ein automatischer Toaster, ein Surfbrett oder eine Schreibmaschine zu sein.
    Nach dem Mittagessen ließ Pyke uns zum Warmwerden »Fühlübungen« machen. Wir stellten uns, einer nach dem anderen, in den Mittelpunkt eines Kreises, Füße zusammen, Augen geschlossen, und ließen uns einfach fallen. Weich und federnd wurden wir dann von einem zum anderen weitergereicht. Wir berührten uns; wir umarmten und küßten uns. So schweißte Pyke die Gruppe zusammen. Bei einem dieser Spiele kam es mir so vor, als würde Eleanor eine winzige Sekunde länger als notwendig in meinen Armen bleiben.
    Am vierten Tag saßen wir um zehn Uhr morgens alle um Pyke versammelt, als er ein Spiel begann, das mich beunruhigte, denn es ließ mich ahnen, daß es eine dunkle Seite an ihm gab, die ich noch nicht kannte. Mit listigem

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