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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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enttäuscht und verwirrt gewesen, hätte sie gesehen, wie sehr Eleanor ihre soziale Herkunft zu verbergen suchte und für wie selbstverständlich sie ihre sozialen Kontakte dennoch hielt. Eva hätte viel darum gegeben, einen Fuß auf die Schwelle jener Häuser setzen zu können, in denen Eleanor als Kind gespielt hatte.
    Eleanors Vater war Amerikaner und Besitzer einer Bank; ihre Mutter war Engländerin, eine bekannte Porträtmalerin; einer ihrer Brüder war Universitätsprofessor. Eleanor hatte in Landhäusern, in einem Privatinternat und in Italien gelebt, sie kannte viele liberale Familien und viele von denen, die sich in den sechziger Jahren einen Namen gemacht hatten, Maler, Schriftsteller und Dozenten; sie kannte Gleichaltrige mit Vornamen wie Candia, Emma, Jasper, Lucy oder India und Erwachsene, die Edward, Caroline, Francis, Douglas oder Lady Luckham hießen. Ihre Mutter war mit der Königinmutter befreundet, und wenn Ma’am in ihrem Bentley aufkreuzte, dann drängten sich die Kinder der Nachbarschaft um den Wagen und schrien Hurra. Einmal mußte Eleanor die Proben abbrechen und nach Hause fahren, weil ihre Mutter für ein Essen mit der Königinmutter noch eine Tischdame brauchte. Die Ausdrucksweise dieser Menschen und ihre Art zu sprechen erinnerte mich an Enid Blyton und an Bunter und Jennings, an Kindergärten und Kindermädchen, an eine Welt vollkommener Sicherheit, von der ich geglaubt hatte, sie existiere eigentlich nur in Büchern. Diese Leute machten sich überhaupt keinen Begriff davon, wieviel mehr als andere Menschen sie besaßen. Ihr Selbstvertrauen und ihre Bildung, ihr gesellschaftlicher Rang und ihr Geld jagten mir Angst ein, und ich begann allmählich zu verstehen, wie wichtig sie waren.
    Zu meiner Überraschung waren die Leute, deren schäbige Häuser ich betrat, wenn ich Nacht für Nacht mit Eleanor herumzog und, wie sie es nannte, auf sie »aufpaßte«, höflich, freundlich und sehr aufmerksam zu mir; sie waren wesentlich angenehmere Menschen als der hochmütige Haufen, den Eva sich in ihre Wohnung einlud. Diese Mischung aus Klasse, Kultur und Geld und ihre Gleichgültigkeit gegenüber allen dreien war genau der Cocktail, der Evas Seele berauscht hätte, den sie aber nie in die Finger bekommen konnte. Es war ungezwungene Boheme, genau das, was Eva suchte: das gesellschaftliche Nonplusultra. Ich verbarg jedoch diese Begleiterscheinung meines sozialen Aufstiegs vor Eva und sparte sie mir für den Moment auf, wenn ich sie im Zuge einer Attacke oder Verteidigung als schlagendes Argument ins Feld führen konnte. Dad und Eva hatten allerdings schon gehört, daß ich ein Auge auf Eleanor geworfen hatte. Mein Vater war darüber sehr erleichtert, das wußte ich; er hatte so schreckliche Angst gehabt, ich könnte schwul werden, daß er es nie fertiggebracht hatte, dieses Thema auch nur zu erwähnen. Für ihn als Moslem war es schon schlimm genug, eine Frau zu sein; aber ein Mann zu sein und das männliche Geschlecht zu begehren, war für ihn pervers und selbstzerstörerisch und weiß der Teufel was noch. Wenn ich sah, daß Dad über diesem Thema brütete, dann erwähnte ich immer Mum, fragte, wie es ihr ging, was sie machte, weil ich wußte, daß dies ein so heftiges Unbehagen in ihm hervorrief, daß er die Frage nach meinen sexuellen Vorlieben aus seinen Gedanken verdrängte.
    Eleanor hatte durchaus ihre exzentrischen Eigenheiten. Sie mochte es nicht, wenn sie nicht kommen und gehen konnte, wie es ihr gefiel. Dinnerpartys machte sie nie von Anfang bis Ende mit, sondern kam während des Essens, aß einige Süßigkeiten, ging im Zimmer umher, nahm den einen oder anderen Gegenstand in die Hand, fragte nach
    seiner Geschichte, und schleppte mich dann nach einer halben Stunde auf irgendeine andere Party, weil sie plötzlich das Verlangen gepackt hatte, mit einem intimen Kenner der Profumo-Affäre zu reden.
    Oft blieben wir zu Hause und sie kochte. Für Bildung und Gemüse hatte ich noch nie etwas übrig gehabt (in der Schule hatten sie mir gegen beides einen ziemlichen Widerwillen eingeimpft), doch Eleanor machte mir meistens Weißkohl, Brokkoli oder Rosenkohl, den sie dünstete und dann einige Sekunden lang in heißer Butter mit Knoblauch schwenkte. Ein andermal gab es roten Schnapper in Blätterteig mit saurer Sahne und Petersilie, aber er schmeckte ein bißchen zäh, fast wie Haifisch. Meistens tranken wir dazu eine Flasche Chablis. Eleanor konnte nur angetrunken einschlafen, und ich fuhr erst mit

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