Der Buddha aus der Vorstadt
blau. Dann gab es da noch ein Kellergeschoß, in dem das Kindermädchen lebte, das sich um den dreizehnjährigen Sohn aus Pykes erster Ehe kümmerte. Terry, der den Verbrechen der reichen Mittelklasse mit der Ausdauer eines politischen Maigret nachspürte, hatte mich bis in alle Einzelheiten informiert. Er war jetzt fest angestellt; der lang ersehnte Ruf war gekommen. Terry spielte einen Wachtmeister in einer Fernsehserie. Ideologisch war das für ihn etwas unangenehm, da er immer behauptet hatte, die Polizei sei das faschistische Instrument der herrschenden Klasse, aber als Polizist verdiente er einen Haufen Geld, viel mehr als ich, mehr sogar als alle anderen in der Gegend, in der er lebte, und auf der Straße wurde er ständig wiedererkannt. Außerdem lud man ihn ein, Feuerwerksveranstaltungen zu eröffnen, Preisrichter bei Wettbewerben zu sein und in Unterhaltungssendungen aufzutreten. Wenn ich mit ihm über die Straße ging, war es fast wie mit Charlie: Man rief seinen Namen, drehte sich nach ihm um und starrte ihn an, nur daß Terrys Fans ihn nicht als Terry Tapley, sondern als Wachtmeister Monty kannten. Diese Ironie des Schicksals machte Wachtmeister Monty besonders wütend auf Pyke, den Mann, der ihm die einzige Rolle verwehrt hatte, die er wirklich jemals hatte haben wollen.
Terry hatte mich vor kurzem auf eine politische Versammlung mitgenommen, und danach, in der Kneipe, erzählte ein Mädchen vom Leben nach der Revolution. »Die Masse wird Shakespeare lesen und Klarinette spielen lernen!« rief sie aus, und ihre Begeisterung und ihre Hoffnung faszinierten mich; ich wollte auch etwas tun. Doch Terry meinte, ich sei noch nicht soweit. Für den Anfang gebe er mir nur eine kleine Aufgabe. »Hab ein Auge auf Pyke«, sagte er, »wenn ihr schon so dicke Kumpel seid. Diese Sorte ist immer gut für Bares. Vielleicht kann man eines Tages was mit ihm anfangen. Wir geben dir dann Bescheid. Aber vorläufig sieh dich einfach nur um - versuch herauszufinden, wie er uns nützen kann, wenn wir ihn politisch brauchen. In der nächsten Zeit hilfst du uns am besten, wenn du dich mit seinem Sohn triffst.«
»Mit seinem Sohn? Okay, Wachtmeister Monty.«
Er hätte mir beinahe eine Ohrfeige verpaßt.
»Nenn mich nicht Monty. Und frag den Jungen - vor all den Gästen -, auf welche Schule er geht. Wenn es nicht eine der teuersten und exklusivsten von ganz England oder sogar der ganzen westlichen Welt ist, will ich Disraeli heißen.« »Mach ich, Wachtmeister Monty - ich mein, Disraeli. Aber ich kann mir das nicht vorstellen, Mann. Pyke ist ein radikaler Linker.«
Terry schnaubte und lachte spöttisch. »Erzähl mir nichts von den verdammten Radikalen. Sind doch nur Liberale« - aus seiner Sicht so ziemlich das Schlimmste, was jemand
sein konnte. »Die gefallen mir nur, solange sie Geld für unsere Partei spenden.«
Das Dienstmädchen, eine devote Irin, ließ uns ein. Sie reichte Eleanor und mir ein Glas Champagner und verschwand in der Küche - wahrscheinlich, um das »Abendessen« vorzubereiten. Nervös blieben wir auf dem Sofa sitzen. Pyke und Marlene seien dabei, »sich anzukleiden«, hatte man uns ausrichten lassen.
»>Auskleiden<, meint sie wohl«, murmelte ich. Es war sonst niemand da. Das Haus war gespenstisch still. Wo zum Teufel blieben die anderen?
»Ich find es toll, daß Pyke uns eingeladen hat«, sagte Eleanor. »Glaubst du, es soll ein Geheimnis bleiben? Er gibt sich doch sonst nicht mit Schauspielern ab. Hat er schon mal jemand anderen aus dem Ensemble eingeladen?« »Nein.«
»Warum dann uns?«
»Weil er uns so lieb hat.«
»Na ja, egal, was passiert, sollten wir uns nicht gegenseitig gewisse Erfahrungen absprechen«, sagte sie auf ihre arrogante Art, als hätte ich nichts Besseres zu tun, als ihr ihre Erfahrungen abzusprechen. Und dabei sah sie mich an, als würde sie am liebsten ein hartes Reiskorn in meine Harnröhre schieben.
»Welche Erfahrungen?« fragte ich und begann, auf und ab zu gehen. Sie antwortete nicht, sondern saß nur da und rauchte wie ein Schlot. »Was für Erfahrungen?« wiederholte ich. Sie würde mir noch den ganzen Abend verderben, und ich wurde immer nervöser. Ich schien überhaupt nichts von ihr zu wissen, nicht einmal die wichtigsten Tatsachen aus ihrem Leben. »Vielleicht die Art Erfahrungen, wie du sie mit deinem letzten Freund hattest? Mit dem Typen, den du so sehr geliebt hast? Meinst du das?«
»Bitte, red nicht von ihm«, sagte sie sanft. »Er ist tot, verdammt noch
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