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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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Wochen einmal zu uns einladen«, antwortete sie. Als nächstes rief ich Jamila an. Bei ihr war die Sache nicht ganz so einfach. Mir wurde nämlich langsam klar, daß ich Angst vor ihr hatte, vor ihrer »Sexualität«, wie man das Vögeln heutzutage nannte, vor der Kraft ihrer Gefühle und der Kompromißlosigkeit ihrer Auffassungen. Leidenschaft stand in Südlondon ziemlich hoch im Kurs. »Nun?« fragte ich. »Was hältst du davon?«
    »Ach, ich weiß nicht, Milchgesicht. Du tust ja doch, was du willst. Du hörst auf niemanden. Aber wenn du mich fragst, ich könnte da nicht hingehen. Ich mache mir Sorgen, daß diese Typen dich umkrempeln. Du entfernst dich von der wirklichen Welt.«
    »Welcher wirklichen Welt? Das gibt es doch überhaupt nicht, eine wirkliche Welt.«
    Sie sagte geduldig: »Doch, die Welt der gewöhnlichen Menschen und der Mist, mit dem sie sich abplagen müssen - Arbeitslosigkeit, miserable Wohnungen, Langeweile. Bald wirst du von dem, was eigentlich wichtig ist, kein Wort mehr begreifen.«
    »Aber Jammie, das sind verflucht einflußreiche Typen.« Und dann machte ich einen Fehler. »Bist du denn nicht neugierig darauf, wie die Mächtigen und Erfolgreichen leben?«
    Sie schnaubte verächtlich und lachte. »Ich interessiere mich offenbar längst nicht so für Innenarchitektur wie du, mein Lieber. Und um ehrlich zu sein, habe ich überhaupt keine Lust, mich mit solchen Leuten abzugeben. Also, wann kommst du uns besuchen? Ich habe hier einen großen Topf mit richtig scharfem Dal stehen, nur für dich. Selbst Changez laß ich da nicht dran - ich bewahre es extra für meinen alten Liebhaber auf.«
    »Danke, Jammie«, sagte ich.
    Am Freitag abend, am Ende der Workshop-Woche, legte Pyke seine Arme um Eleanor und mich, als wir gerade gehen wollten, küßte uns und sagte: »Bis morgen dann, eh?«
    »Ja«, sagte ich. »Bis morgen.«
    »Wir freuen uns auf den Abend«, sagte er.
    »Ich mich auch«, antwortete ich.
     

Kapitel dreizehn

    Wahnsinn, dachte ich und sah in mein Gesicht, das sich im gegenüberliegenden Fenster des U-Bahn-Wagens der Bakerloo Line spiegelte. Du kleiner Gott. Meine Füße tanzten, und meine Finger trommelten im Jive-Takt zur imaginären Musik der Velvettes: »He was Really Saying Some-thing« - während die Bahn unter meiner Lieblingsstadt, meinem Spielplatz, meiner Heimstatt dahinbrauste. Und auch mein Baby summte vor sich hin. Wir stiegen am Piccadilly um und fuhren weiter Richtung Nordwesten, nach Brainyville, London, eine Gegend, die für mich so fremd war wie Marseille. Welchen Grund hatte ich bisher auch gehabt, nach St. John’s Wood rauszufahren?
    Ich sah durchtrainiert und gut aus, was wohl vom Gemüse kam. Die Liegestützen und die »Ich muß, ich muß, ich muß - vergrößern meine Brust«-Übungen, zu denen Eva mir geraten hatte, zeigten auch allmählich die gewünschte Wirkung; mein Profil war schärfer und mein Selbstvertrauen größer. Ich hatte mir bei Sassoon’s in der Sloane Street die Haare schneiden lassen, und meine erst kürzlich mit Talkumpuder behandelten Eier waren so schmackhaft und wohlriechend bestäubt wie türkisches Lokum. Nur meine Kleider waren wie üblich zu groß, hauptsächlich deshalb, weil ich eines von Dads dunkelblauen Jacketts und einen seiner Bond-Street-Schlipse über einem Ronette-T-Shirt trug, das natürlich ohne Kragen war; darüber hatte ich mir einen rosaroten Pullover von Eva angezogen. Ich war nervös und, ich muß gestehen, auch etwas durcheinander, seit Heater mich vor ungefähr einer Stunde in Eleanors Wohnung mit einem Schnitzmesser bedroht hatte: »Du paßt mir auf die Frau auf, he? Wenn ihr was passiert, dann mach ich dich kalt!«
    Eleanor, in schwarzem Kostüm und dunkelroter Seidenbluse mit hohem Kragen, saß neben mir. Sie hatte sich ihr Haar hochgesteckt, doch einige Locken fielen ihr offen auf die Schultern; sie waren gerade so groß, daß ich meinen Finger hindurchstecken konnte. »Du hast noch nie so schön ausgesehen«, sagte ich ihr. Ich meinte es auch. Ich mußte einfach unaufhörlich ihr Gesicht küssen. Am liebsten hätte ich sie den ganzen Tag lang in den Armen gehalten, sie gestreichelt, gekitzelt und mit ihr gespielt.
    Aufgeregt und gut gelaunt schlenderten wir über die Auffahrt zum Landhaus. Das Haus, das Pyke sich mit Marlene teilte, war natürlich ein vierstöckiges Ding in einer ruhigen Straße mit blumenübersätem, frisch gesprengtem Vorgarten und zwei Sportwagen vor dem Eingang, der eine schwarz, der andere

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