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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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sich von mir fernzuhalten; und genau das tat sie. Es schien ihr nicht viel auszumachen. Vielleicht sollte ich doch noch einmal mit ihr reden.
    Wer war dieses Wesen, das hinter mir herlief? Ich hielt es nicht mehr aus vor Neugier und versteckte mich in einem Kneipeneingang. Als sie an mir vorbeiging, sprang ich sie an, halbnackt wie ich war, und schrie: »Wer bist du? Warum läufst du mir nach?« Aber sie schien gar keine Angst zu haben und lächelte mich an, als ich sie losließ.
    »Ich hab dich in der Vorstellung bewandert«, sagte sie, während wir weitergingen. »Du hast mich zum Lachen gebracht. Das wollte ich dir nur sagen. Und du hast ein verdammt hübsches Gesicht. Diese Lippen, einfach Wahnsinn.«
    »Ach ja? Ich hab dir gefallen?«
    »Ja. Und ich wollte ein paar Minuten mit dir Zusammensein. Es macht dir doch nichts aus, daß ich dir nachgegangen bin, oder? Ich hab nur gesehen, wie du gehen wolltest. Du sahst völlig verschreckt aus. Irgendwie wütend. Ich kenn das, ein ätzender Zustand. Oder willst du jetzt doch alleinsein?«
    »Nein, ist schon okay - ist gut, einen Freund zu haben.« Ich mußte mich wie ein Idiot anhören. Aber sie hakte sich bei mir unter, und wir gingen am Fluß entlang, vorbei an William Morris’ Haus und Richtung Hogarth’s Tomb. »Schon komisch, da muß noch jemand die gleiche Idee gehabt haben«, sagte die Frau. Sie hieß Hilary.
    »Was für eine Idee?«
    »Dir zu folgen«, sagte sie.
    Ich drehte mich um und entdeckte Heater. Er machte gar nicht erst den Versuch, sich zu verstecken. Ich begrüßte ihn mit einem Schrei, der tief aus meinem Bauch aufstieg und wie ein Düsenjet durch die Luft donnerte. Janov hätte seine helle Freude daran gehabt.
    »Was willst du, Heater? Warum verpißt du dich nicht und krepierst an Krebs, du fetter, häßlicher Saftsack?«
    Er änderte nur seine Stellung, bis sich sein Gewicht gleichmäßig auf beide Beine verteilte, dann war er bereit. Er wollte den Kampf.
    »Ich bin deinetwegen hier, Paki-Fresse! Ich kann dich nicht ausstehen! Und ihr habt mir meine Eleanor angerührt! Du und dieser Pyke!«
    Hilary hielt meine Hand. Sie war sehr ruhig. »Warum rennen wir nicht einfach weg?« fragte sie.
    »Gute Idee«, sagte ich. »Okay.«
    »Also, auf geht’s.«
    Ich rannte auf Heater zu, sprang ihn an, hielt mich an seinem Revers fest und ließ meine Stirn mit voller Wucht gegen seine Nase krachen, so wie man es mir in der Schule beigebracht hatte. Dem Himmel sei Dank für meine Schulzeit. Heater taumelte zur Seite und hielt sich die Nase. Hilary und ich liefen los, schrien und umarmten und küßten uns, und überall schien Blut zu sein; es tropfte richtig an uns herunter. Ich hatte vergessen, daß Heater in der Schule gelernt hatte, sich Rasierklingen in die Revers einzunähen, bevor er aus dem Haus ging.
     

Kapitel sechzehn

    Das Theater war jeden Abend ausverkauft, und freitags und samstags mußten wir sogar Besucher abweisen. Wir planten Sondervorstellungen. Das Stück nahm mich pausenlos in Anspruch. Wie hätte es auch anders sein sollen? Es war ein großes Ereignis, das jeden Abend überstanden werden mußte, und es war unmöglich, sich darauf nur halb zu konzentrieren, wie ich eines Abends feststellen mußte, als ich völlig verloren auf der Bühne stand, Eleanor ansah und nicht wußte, welchen Akt des Stückes wir gerade spielten. Wenn die Aufführung am Abend mir nicht den ganzen Tag ruinieren sollte, war es das beste, den Ablauf des Tages zu verschieben, also etwa um drei oder vier Uhr am Nachmittag aufzustehen, so daß das Stück quasi am Vormittag gespielt wurde und man hinterher noch einige Stunden Zeit hatte, in denen man es wieder vergessen konnte.
    Nach der Aufführung gingen wir ins Theaterrestaurant. Die Gäste machten sich gegenseitig auf uns aufmerksam und starrten uns an. Sie spendierten uns Drinks und fühlten sich geehrt, wenn sie sich mit uns unterhalten konnten. Oft baten sie uns inständig, doch zu ihren Parties zu kommen, sie etwas aufzupeppen. Wir trafen dann meist erst gegen Mitternacht ein, die Arme voll Bier- und Weinflaschen. Und kaum waren wir da, wurden uns auch schon Drogen angeboten. Ich schlief mit einigen Frauen; das war jetzt viel leichter. Neuerdings hatte ich sogar eine Agentin. Man bot mir eine kleine Rolle in einem Fernsehfilm an: Ich sollte einen Taxifahrer spielen. Und endlich hatte ich etwas Geld, mit dem ich um mich werfen konnte. Eines Abends kam Pyke zu uns und fragte, ob wir mit dem Stück auch in New York

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