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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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dich fragen kann.«
    Er zückte sein Scheckbuch. »Ich könnte wetten, daß sie das nicht gerne hören würden.« Er zog seinen Füllfederhalter. »Du bist also ihr Postbote. Ein riskanter Job. Paß auf, daß sie dich nicht ausnutzen. Hier, nimm den Scheck.«
    Er war reizend. Er gab mir einen Scheck über fünfhundert Pfund. Ich hätte den ganzen Tag lang mit ihm quatschen und tratschen können, so wie früher im Wagen. Aber ich ging, sobald ich das Geld in der Hand hielt; er war nicht unbedingt scharf darauf, mich bei sich zu haben, und ich wollte Marlene nicht noch einmal über den Weg laufen. Als ich die Haustür öffnete, kam sie die Treppen heruntergestürzt und rief: »Karim, Karim!«, und ich hörte Pyke sagen: »Er kann gar nicht schnell genug vor dir davonlaufen«, als ich hinter mir die Tür zuschlug.
    Ich konnte mich nicht überwinden, noch einmal zu Eleanors Wohnung zu gehen. Also bat ich sie eines Abends im Theater um das Geld. Es fiel mir neuerdings ziemlich schwer, mit ihr zu reden. Diesmal war es noch schwieriger, weil sie sich, während ich ihr erklärte, daß es sich hierbei um ein Geschäft und nicht um Liebe handeln würde, mit den tausend Dingen beschäftigte, die sie bei sich in der Garderobe hatte: Bücher, Kassetten, Make-up, Fotos, Karten, Briefe, Kleider. Sie probierte sogar einige Hüte auf! Sie hantierte mit diesen Dingen, weil sie sich nicht hinsetzen und mir ins Gesicht sehen wollte. Aber ich spürte auch, daß ich für sie keine Rolle mehr spielte. Ich bedeutete ihr nichts mehr; ich war kein besonders gravierender Irrtum gewesen.
    Dabei hielten sich meine Gefühle für sie ebenso in Grenzen, aber ich wollte sie auch nicht einfach aufgeben. Ich wollte nicht zur Seite geschoben, fallengelassen und ausrangiert werden. Und genau das hatte sie mit mir gemacht. So war es. Was konnte ich schon dagegen tun? Also sagte ich nur, was ich von ihr wollte. Sie nickte und hielt ein Buch hoch. »Hast du das gelesen?« fragte sie. Ich sah nicht einmal hin. Ich wollte jetzt nicht mit ihr über Bücher reden. Ich fragte sie noch einmal nach dem Geld. Es würde der Partei helfen; und die würde ändern, was geändert werden mußte.
    Endlich sagte sie: »Nein, ich werde dir keine fünfhundert Pfund geben.«
    »Warum nicht?«
    »Ich hab an Gene gedacht.«
    »Du denkst immer nur an Gene und -«
    »Ja, und? Warum nicht?«
    »Vergiß es, Eleanor«, sagte ich. »Bleiben wir bei dieser Sache.«
    »Gene war -«
    Ich knallte die Faust auf den Tisch. Langsam hatte ich die Nase voll. Und ein Satz von Bob Dylan ging mir nicht aus dem Kopf: »Stuck Inside of Mobile with the Memphis Blues Again.«
    »Die Partei. Sie braucht Geld. Das ist alles. Sonst nichts. Kein Wort über Gene. Kein Wort über uns.«
    Sie blieb hart. »Ich werde dir etwas sagen, und du wirst mir zuhören.«
    »Du bist doch reich, oder nicht? Gib’s aus, Darling, mit vollen Händen.«
    »Du zynisches Arschloch«, sagte sie. »War es nicht auch schön mit uns?«
    »Yeah, stimmt schon. Ich hab meinen Spaß gehabt. Wir sind ins Theater gegangen. Wir haben gevögelt. Und du hast es mit Pyke getrieben.«
    Sie lächelte mich an und sagte: »Der springende Punkt ist, daß es keine Partei für die Schwarzen ist. Sie ist whites only, wenn du es genau wissen willst. Ich geb dir keinen Penny für diese Apartheid-Säcke.«
    »In Ordnung«, sagte ich. »Trotzdem vielen Dank.« »Karim«. Sie sah mich an. Sie wollte etwas Freundliches sagen, also sagte sie: »Sei nicht so hart gegen dich selbst.«
    An meinem freien Tag besuchte ich Terry. Er und seine Kumpel hielten ein Haus in Brixton besetzt. Ich stieg aus der U-Bahn und ging Richtung Norden, wie Terry es mir beschrieben hatte; dabei kam ich unter der Eisenbahnbrücke durch, über die ich damals mit Onkel Ted gefahren war, als er die Sitze zerschlitzte und »Ihr Nigger« geschrien hatte. Es war die gleiche Linie, mit der mein Vater all die Jahre zur Arbeit gefahren war, in seiner Aktenmappe ein blaues Wörterbuch.
    Diese Häuser waren für eine andere Zeit gebaut worden, dachte ich, als ich mir ansah, wo Terry wohnte. Fünfstöckige Gebäude zwischen hübschen Parks, und sie verrotteten, wie dieser ganze Stadtteil verrottete, selbst wenn sich im Verfall die ein oder andere Sumpfblüte zeigte. Die Kids hier waren so verrückt wie nirgendwo sonst in London. Die Frisur, die Charlie sich mit soviel Sorgfalt zurechtgestylt hatte - schwarz, in Strähnen vom Kopf abstehend, eine Skulptur, ein Schmuckstück, etwas, das

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