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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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werden und einmal vielleicht von irgend jemandem angespuckt wurden. Du weißt schon: dieses ewige Selbstmitleid.«
    »Sollte man nicht - ich meine, wir - sollten wir wirklich nicht darüber reden, Allie?«
    »Darüber reden? Mein Gott, bloß nicht.« Er war offensichtlich bei seinem Lieblingsthema. »Diese Typen sollten die Schnauze halten und ihr Leben leben. Die Schwarzen haben wenigstens ihre Geschichte, die Sklaverei. Und die Inder wurden aus Uganda rausgeworfen. Die haben wenigstens einen Grund, verbittert zu sein. Aber kein Mensch hat jemanden wie dich oder mich in irgendein Lager gesteckt, und das werden sie auch nicht. Mit denen kann uns niemand in einen Topf werfen, Gott sei Dank. Außerdem sollten wir dankbar dafür sein, daß wir keine weiße Haut haben. Ich mag nicht einmal den Anblick von weißer Haut, die ist doch -«

    »Gestern war ich beim Zahnarzt, Allie, und der -« »Milchgesicht, lassen wir deine Zähne doch einen Moment beiseite und -«
    »Allie -«
    »Man muß doch mal festhalten, daß wir eigentlich ziemlich privilegiert sind. Wir können doch nicht so tun, als ob wir beschissen dran wären und ständig unterdrückt würden. Ich denke, wir sollten einfach das Beste aus uns machen.« Er sah mich an wie ein Prediger in der Sonntagsschule, der dir sagt, du sollst dich nicht so hängen lassen. So gefiel er mir; ich wollte mehr von ihm wissen; nur was er sagte, war ziemlich seltsam. »Also meinen Glückwunsch, großer Bruder. Eine Fernsehserie ist ein Grund zu feiern. Fernsehen gefallt mir.«
    Ich verzog das Gesicht.
    »Das Theater hasse ich noch mehr als die Oper, Karim. Die Stücke wirken immer -« Er suchte nach dem falschen Wort. »Ja, so Als-ob. Aber egal, Milchgesicht, es gibt etwas, das du wissen solltest. Es geht um Mum.«
    Ich sah ihn an, als ob er gleich sagen würde, daß sie Krebs oder so etwas hatte. »Seit ihrer Scheidung trifft sie sich mit einem Mann. Er heißt Jimmy. Das geht jetzt schon ungefähr vier Monate so. Ich weiß, es ist ein großer Schock, okay. Aber ich meine, wir sollten es einfach akzeptieren und ihr keinen Vorwurf daraus machen.«
    »Allie -«
    Er saß ganz cool da. «Jetzt stell mir keinen Haufen blödsinniger Fragen, Karim. Mehr kann ich dir nicht von ihm erzählen, weil ich ihn selbst noch gar nicht kennengelernt habe, und ich darf es vorläufig auch nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Du auch nicht, okay? Er hat Bilder von uns gesehen, da waren wir zehn oder so, aber nicht älter. Jimmy weiß nicht, wie alt Mum ist. Sie meint, er wäre schockiert und würde sich vielleicht abgestoßen fühlen, wenn er wüßte, daß sie Söhne in unserem Alter hat. Also müssen wir uns ziemlich im Hintergrund halten.«
    »Wahnsinn, Allie.«
    »Aber so ist es.«
    Ich seufzte. »Gut für sie. Sie hat es verdient.«
    »Jimmy ist in Ordnung. Er ist solide, hat eine Stellung, und er bumst nicht in der Gegend rum.« Dann trat wieder dieser bewundernde Blick in seine Augen, er schüttelte den Kopf und sagte gedehnt: »Eine Fernsehserie, eh? Mann, das hat Stil.«
    »Weißt du«, sagte ich, »nachdem Mum und Dad sich getrennt hatten, ging alles ziemlich durcheinander. Ich wußte nicht mehr, was mit mir los war.«
    Er sah mich an. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich ihn nie gefragt hatte, wie es eigentlich ihm damals ergangen war. »Sprich nicht davon«, sagte er. »Ich werd auch nicht damit fertig. Ich verstehe sehr gut, was du meinst.«
    Er lächelte mir beruhigend zu.
    »In Ordnung«, sagte ich.
    Dann beugte er sich vor und sagte mit gehässiger Stimme: »Ich treff mich nicht mehr mit Dad. Wenn ich ihn vermisse, dann ruf ich ihn an. Aber ich hab nicht viel Zeit für Leute, die Frau und Kind im Stich lassen. Ich werf dir nicht vor, daß du mit ihm gegangen bist - du warst ja damals noch ziemlich klein. Aber Dad war verdammt egoistisch. Und was hältst du davon, daß er seinen Job aufgegeben hat? Ist er nicht völlig durchgedreht? Er wird ohne Geld dastehen. Eva wird ihn unterstützen müssen. Und das heißt, daß Eva auch Mum unterstützen wird. Das ist doch grotesk. Und Mum haßt sie. Wir werden ihr alle auf der Tasche liegen!«
    »Allie -«
    »Was will er denn machen, dieser heilige Franz von Assisi? Mit irgendwelchen Idioten, die ihn für einen aufgeblasenen alten Langweiler halten, über Leben, Tod und Heirat reden? Darin ist er bestimmt Fachmann. Mein Gott, Karim, was passiert eigentlich mit den Leuten, wenn sie alt werden?« »Verstehst du denn überhaupt nichts?«
    »Was soll ich

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