Der Buddha aus der Vorstadt
wunderschöner Sessel, Eva, wo bekommt man so etwas?« »Hat Charlie schon einmal darauf gesessen?« fragte der Fotograf. Er war wütend auf Dad und etwas verwirrt.
Die Journalistin und der Fotograf standen auf, um zu gehen. »Ich fürchte, es wird höchste Zeit für uns«, sagte die Journalistin und wollte aus dem Zimmer eilen. Doch noch bevor sie die Tür erreichte, wurde diese aufgestoßen, und Onkel Ted stürmte atemlos und mit weit aufgerissenen Augen herein. »Wo wollen Sie hin?« herrschte er die Journalistin an, die mit ausdrucksloser Miene auf diesen haarlosen Verrückten starrte. Er trug einen Kampfanzug und einen Sechserpack Bier in der Hand.
»Nach Hampstead.«
»Hampstead?« fragte Ted. Er tippte mit dem Zeigefinger auf seine Taucheruhr. »Ich bin doch nicht zu spät, höchstens ein bißchen. Meine Frau ist die Treppen hinuntergefallen.« »Hat sie sich verletzt?« fragte Eva besorgt.
»Sie ist in ziemlich schlechter Verfassung.« Ted setzte sich, blickte uns alle der Reihe nach an, nickte mir zu. Als er sprach, wandte er sich an die Journalistin. Sein Kummer hatte ganz Besitz von ihm ergriffen, aber er schämte sich deswegen nicht. Er sagte: »Mir tut meine Frau Jean leid.« »Ted -« Eva wollte ihn unterbrechen.
»Sie verdient unser Mitleid«, sagte er.
»Was Sie nicht sagen«, meinte die Journalistin abfällig.
»Ja, wirklich! Wie kommt es nur, daß wir werden, was wir sind? Was ist mit uns geschehen? Gestern noch waren wir Kinder mit strahlenden, offenen Gesichtern. Wir wollten wissen, wie Maschinen funktionieren. Wir verliebten uns in Eisbären. Und schon am nächsten Tag werfen wir uns besoffen und heulend die Treppe hinunter. Unser Leben ist vorbei. Wir hassen das Leben, und wir hassen den Tod.« Er wandte sich an den Fotografen. »Eva sagte mir, daß Sie uns zusammen fotografieren wollen. Ich bin Evas Partner. Wir machen alles gemeinsam. Wollen Sie mir keine Fragen über unsere Arbeitsmethoden stellen? Wir haben wirklich einzigartige Methoden entwickelt. Sie könnten für andere Menschen beispielhaft sein.«
»Wir müssen uns leider auf den Weg machen«, sagte diese verklemmte Zeilenschinderin.
»Mach dir nichts draus«, sagte Eva und strich Ted sanft über den Arm.
»Du bist ein verdammter Narr«, sagte Dad und lachte Ted ins Gesicht.
»Bin ich nicht«, sagte Ted, ohne zu zögern. Er wußte, daß er kein Narr war, und niemand würde ihn vom Gegenteil überzeugen können.
Onkel Ted freute sich über unser Wiedersehen genausosehr wie ich. Wir hatten uns viel zu sagen. Seine Depression war abgeklungen, und er war wieder wie früher, als ich noch ein Kind war, witzig und begeisterungsfähig. Nur seine Wut war verschwunden, und die Art, wie er früher jemanden, dem er zum erstenmal begegnete, angesehen hatte, als wolle er dem Unbekannten den Garaus machen, ehe der ihm zuvorkam.
»Ich liebe meine Arbeit, Söhnchen«, sagte er. »Davon hätte ich den Zeitungen einiges erzählen können. Weißt du noch? Damals wäre ich doch fast verrückt geworden, hätte Eva mich nicht gerettet.«
»Dad hat dich gerettet.«
»Ich will andere Menschen davor bewahren, ein unehrliches Leben zu führen. Führst du ein unehrliches Leben, Milchgesicht?«
»Ja«, sagte ich.
»Egal was du machst, du darfst dir nie etwas vorlügen. Du darfst nie -«
Eva kam zurück und sagte zu ihm: »Komm, wir müssen gehen.«
Ted nickte Dad zu. »Ich muß mit Haroon reden. Ich will, daß du mir zuhörst, Haroon, okay?«
»Nein«, sagte Eva. »Wir müssen arbeiten. Jetzt komm schon.«
Also zogen Eva und Ted los, um mit einem Kunden in Chelsea einen Auftrag zu besprechen. »Laß uns irgendwann in dieser Woche ein Bier zusammen trinken«, sagte Ted. Als sie gegangen waren, bat Dad mich, ihm einen Käsetoast zu machen. »Aber bitte kroß und nicht zu labberig«, sagte er.
»Hast du denn noch nichts gegessen?«
Das genügte, um ihn in Fahrt zu bringen. »Eva kümmert sich überhaupt nicht mehr um mich. Sie ist viel zu beschäftigt. Ich werde mich nie an diesen neumodischen Kram gewöhnen, daß Frauen arbeiten und so. Manchmal hasse ich sie richtig, Eva, meine ich. So etwas sollte ich nicht sagen, ich weiß. Aber ich halt’s nicht aus, wenn sie in meiner Nähe ist, und ich kann’s nicht haben, wenn sie nicht da ist. In meinem ganzen Leben habe ich mich noch nicht so gefühlt. Was ist bloß los mit mir?«
»Frag mich nicht, Dad.«
Ich wäre eigentlich gerne bei ihm geblieben, aber ich hatte Mum versprochen, bei ihr
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