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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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Keil herausgerissen, um daraus einen gelbzahnigen, geifernden Rachen zu formen. Ich hielt meine Arme ausgestreckt vor mich in die Luft, damit mir der Hund nicht in die Hände biß. Ich muß wie ein Schlafwandler ausgesehen haben, aber da ich meine Hände auch noch in Zukunft brauchen würde, machte es mir nichts aus, diese barocke Pose einzunehmen, obwohl ich mich sonst fanatisch um mein Aussehen sorge und so tue, als hätte die ganze Welt nichts Besseres zu tun, als mich nach den Regeln einer komplizierten und geheimnisvollen Etikette ständig auf irgendeinen Fauxpas hin zu beobachten.
    »Du wirst meine Tochter nie Wiedersehen«, sagte Pelzrücken. »Sie geht nicht mit Jungens aus. Schon gar nicht mit Pakis.«
    »Schon gut.«
    »Kapiert?«
    »Yeah«, sagte ich mürrisch.
    »Wir wollen keine Nigger in unserm Haus.«
    »Hatten Sie denn schon viele?«
    »Viele was, du kleiner Pinscher?«
    »Nigger.«
    »Wo?«
    »In Ihrem Haus.«
    »Wir wollen sie nicht«, sagte Pelzrücken. »Egal, wie viele Nigger wo sind, wir wollen sie nicht. Wir halten es mit Enoch. Wenn du deine schwarze Hand an meine Tochter legst, dann hau ich dir mit nem Hammer drauf! Mit ’nem Hammer!«
    Pelzrücken knallte die Haustür zu. Ich ging einige Schritte rückwärts, dann drehte ich mich um. Scheiß-Pelzrücken. Ich mußte dringend pissen. Ich besah mir seinen Wagen, einen großen Rover. Ich beschloß, die Luft aus den Reifen zu lassen. Ich würde höchstens ein paar Sekunden brauchen, dann durch das Fenster pissen, und wenn er rauskam, war ich schneller über den Zaun als eine Katze durch ein Fenster. Ich ging schon auf den Rover zu, als ich merkte, daß Pelzrücken mich mit seinem Hund allein gelassen hatte. Er schnüffelte an einem Scheißhaufen, nur ein paar Meter entfernt. Jetzt setzte er sich in Bewegung. Ich stand mucksmäuschenstill da, wie ein Stein oder ein Baum, dann drehte ich dem Hund bedächtig den Rücken zu und ging einige Schritte, als liefe ich auf Zehenspitzen über ein einsturzgefährdetes Dach. Ich hoffte, Helen würde das Fenster öffnen und meinen Namen rufen, oder noch besser den des Hundes. »O Helen, Helen!« murmelte ich.
    Offensichtlich gefielen dem Hund meine sanften Worte, denn plötzlich war da eine Art ungestümer Wirbel, und ich spürte etwas Eigenartiges auf meinen Schultern. Es waren Hundepfoten. Der Hund blies mir seinen warmen Atem in den Nacken. Ich machte noch einen Schritt, der Hund auch. Jetzt begriff ich, was der Hund vorhatte. Er war in mich verliebt - das sagten mir seine schnellen Bewegungen an meinem Hintern. Seine Ohren waren heiß. Da sich die Bewegungen verstärkten, glaubte ich nicht, daß der Hund mich jetzt gerade beißen würde, also entschied ich mich, es zu riskieren. Der Hund an meinem Rücken bebte.
    Ich stürzte zur Pforte und kletterte hinüber; dabei blieb mein rosa Hemd an einem Nagel hängen. Als ich auf der anderen Seite in Sicherheit war, sammelte ich einige Steine auf und verpaßte dem Hund eine Salve. Einer krachte ihm auf die Birne, aber das schien ihm nichts auszumachen. Bevor ich mich auf das Fahrrad schwang, zog ich mir die Jacke aus und sah, daß sie voller Hundewichse war.
    Als ich endlich auf meinem Drahtesel über Jeans Gartenweg strampelte, war ich verdammt schlechter Laune. Und Jean ließ einen an der Haustür immer die Schuhe ausziehen, damit niemand zweimal auf den Teppich trat und ihn ruinierte. Einmal, als wir ins Haus gingen, sagte Dad: »Was soll das hier eigentlich sein, Jean, ein Hindu-Tempel? Trifft sich hier Ohne-Schuh mit Hacke-Voll?« Sie machten bei jeder Neuanschaffung so ein Theater: In ihrem drei Jahre alten Wagen hingen zum Beispiel immer noch Plastikbezüge über den Sitzen. Dad sagte in diesem Wagen gern zu mir: »Findest du nicht, daß man hier sitzt wie Gott in Frankreich, Karim?« Er brachte mich zum Lachen, mein Dad.
    Heute morgen, als ich losfuhr, war ich fest entschlossen gewesen, höflich und zuvorkommend zu sein, ein richtiger Schleimscheißer, aber mit dem Hundesperma auf dem Rücken meiner gefärbten Jacke, ohne Schuhe und mit zum Platzen gefüllter Blase hielt ich diese Fitzgerald-Fassade für eine Zumutung. Und Jean führte mich gleich ins Wohnzimmer, legte mir die Hände auf die Schultern, drückte mich in den Sessel - ein ganz neuer Zug an ihr - und verschwand, um Ted zu holen.
    Ich ging ans Fenster und sah hinaus in den Garten. Hier hatten Ted und Jean im Sommer, als Peter s Heaters noch Hochkonjunktur hatten, phantastische Parties

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