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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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Kritiker werden richtig scharf auf dich sein. Bestimmt. Ha, ha, ha, ha, ha!« Er sprang auf, als zwei junge Frauen mit Drehbüchern unter dem Arm ins Cafe kamen. Shadwell umarmte sie, und die Frauen küßten ihn, scheinbar ohne Widerwillen. Sie sprachen sehr respektvoll mit ihm. Das war mein erster Hinweis darauf, wie verzweifelt Schauspieler sein können.
    »Ich habe Mowgli gefunden«, berichtete Shadwell ihnen und zeigte auf mich. »Ich habe endlich meinen kleinen Mowgli gefunden. Ein unbekannter Schauspieler, unmittelbar vor seinem großen Durchbruch.«
    »Hallo«, sagte eine der beiden Frauen zu mir. »Ich bin Roberta«, sagte die andere.
    »Hallo«, sagte ich.
    »Ist er nicht göttlich?« fragte Shadwell.
    Die zwei Frauen sahen mich aufmerksam an. Ich war genau der Richtige. Ich hatte es geschafft. Ich hatte einen Job.
     

Kapitel zehn

    Für Charlie und mich überstürzten sich in jenem Sommer die Ereignisse: große Ereignisse für ihn; kleine, aber bedeutsame für mich. Obwohl ich Charlie monatelang nicht sah, rief ich Eva beinahe jeden Tag an, um mir einen vollständigen Bericht geben zu lassen. Außerdem war Charlie natürlich im Fernsehen und in den Zeitungen. Plötzlich konnte man ihn und seine verdammte Karriere kaum noch übersehen. Er hatte es geschafft. Ich dagegen mußte bis zum Spätherbst warten, bevor die Proben für »The Jungle Books« begannen, also zog ich wieder nach Südlondon, glücklich bei dem Gedanken, daß ich bald in einer professionellen Aufführung mitarbeiten und mich in jemanden aus dem Ensemble verlieben konnte. Ich wußte einfach, daß es so kommen würde.
    Allie war mit seinen schicken Schulfreunden nach Italien gefahren, um sich - was denn auch sonst - in Mailand Klamotten anzusehen. iMum war bei Ted und Jean ausgezogen und lebte jetzt wieder in unserem alten Haus. Ich wollte nicht, daß sie sich allein fühlte. Zum Glück hatte man ihr den Job im Schuhgeschäft wiedergegeben, also mußten wir nur die Abende und die Wochenenden zusammen verbringen. Mum fühlte sich besser, und sie wirkte wieder viel lebendiger, obwohl sie bei Ted und Jean ziemlich fett geworden war.
    Sie redete immer noch nicht besonders viel, als wollte sie es vermeiden, ihren Schmerz und ihre Verletztheit in Worte oder abgedroschene Phrasen zu kleiden. Aber ich sah ihr zu, wie sie das Haus - und es war nur ein Haus, ein von Kindern verdrecktes, nüchternes Haus - in ihr Heim verwandelte. Zum erstenmal in ihrem Leben trug sie Hosen, machte eine Diät und ließ sich die Haare wachsen. In einem Trödelladen kaufte sie sich einen Tisch aus Kiefernholz, schmirgelte ihn nach und nach im Garten ab und lackierte ihn dann; dabei hatte sie so etwas vorher noch nie getan, ja, nicht einmal daran gedacht. Ich war überrascht, daß sie überhaupt wußte, was Schmirgelpapier ist; aber ich konnte schon ein ziemlicher Idiot sein, so wenig wie ich manche Menschen kannte. Die zum Tisch passenden Bambusstühle trug ich auf meinem Kopf nach Hause, und dort saß Mum dann stundenlang und übte sich in Kalligraphie - sie malte Weihnachts- und Geburtstagskarten auf rechteckige Schnipsel aus weichem Papier. Sie putzte wie noch nie, das heißt sorgfältig und voller Interesse (Putzen war keine Hausarbeit mehr), rutschte auf den Knien mit Scheuerbürste und Wassereimer hin und her, wischte hinter den Schränken und über die Fußleisten. Sie wusch die Wände und strich die mit unseren Fingerabdrücken beschmutzten Türen neu. Sie topfte alle Pflanzen im Haus um, und neuerdings hörte sie sogar Opern.
    Ted kam und brachte Pflanzen mit. Er liebte Sträucher, besonders Flieder, den Jean radikal aus ihrem Garten verbannt hatte, und so brachte er sie zu uns. Außerdem kam er mit alten Radios und Tellern an, brachte Kännchen und silberne Kerzenständer vorbei, einfach alles, was ihm in die Hände fiel, während er durch Südlondon streifte und darauf wartete, daß er die Arbeit in Evas neuer Wohnung wiederaufnehmen konnte.
    Ich las viel, und sogar richtige Bücher, zum Beispiel Balzacs »Verlorene Illusionen« und »Rot und Schwarz« von Stendhal und ging früh zu Bett, um für Liebe und Arbeit gut in
    Form zu sein. Obwohl ich nur einige Meilen entfernt auf der anderen Seite des Flusses lebte, fehlte mir das London, das ich gerade erst kennengelernt hatte, und ich spielte mit mir selbst ein Ratespiel: Wenn der Geheimdienst dir befehlen würde, daß du den Rest deines Lebens in der Suburbia zu verbringen hättest, was würdest du tun? Dich

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