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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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du so begierig deine erste Rolle angenommen hast? Daß Mowgli einen Kaftan tragen würde? Einen Saint-Laurent-Anzug?«
    »Aber Mr Shadwell - Jeremy - ich fühle mich nicht gut in diesem Kostüm. Ich fühle, daß wir zusammen die Welt nur häßlicher machen.«
    »Du wirst es schon überleben.«
    Er hatte recht. Aber gerade als ich mich mit dem Lendenschurz und der Schuhcreme angefreundet hatte, als ich früher als alle anderen meinen Text auswendig kannte und mich auf dem Gerüst so souverän bewegte wie ein kleiner Orang-Utan, wurde mir klar, daß wir noch nicht am Ende unserer Streitigkeiten waren. Shadwell nahm mich zur Seite und sagte: »Nur auf ein Wort, Karim, es geht um deinen Akzent. Ich meine, er sollte echt wirken.«
    »Was meinst du mit >echt    »Wo ist Mowgli geboren?«
    »In Indien.«
    »Eben. Nicht in Orpington. Was für einen Akzent haben sie in Indien?«
    »Einen indischen Akzent.«
    »Hundert Punkte.«
    »Nein, Jeremy, bitte nicht.«
    »Karim, du hast diese Rolle, weil es auf Echtheit ankommt, und nicht wegen deiner schauspielerischen Erfahrung.« Ich konnte es nicht glauben. Doch selbst als ich es glauben konnte, redeten wir noch öfter darüber, aber er wollte seine Meinung nicht ändern. »Versuch es«, sagte er, wenn wir dann den Probenraum verließen, um uns draußen zu streiten. »Du bist so konservativ, Karim. Versuch es so lange, bis du dich wie ein Bengali fühlst. Schließlich bist du angeblich ein Schauspieler, aber ich fürchte manchmal, daß du nur ein Exhibitionist bist.«
    »Jeremy, hilf mir doch, ich bring das nicht fertig.«
    Er schüttelte den Kopf. Ich schwüre, daß mir das Wasser in den Augen stand.
    Einige Tage vergingen, ohne daß wir ein weiteres Wort über den Akzent verloren. Shadwell sorgte dafür, daß ich mich vorerst auf die Tiergeräusche konzentrierte, die ich zwischen den Dialogen von mir geben sollte; so sollte ich zum Beispiel zischeln, wenn ich mit Kaa, der schlüpfrigen Schlange, Mowglis Lebensretterin, sprach. Terry und ich mußten gemeinsam zischeln. Der Gedanke an Dad, wie er damals bei Carl und Marianne Ted und Jean seine Lehren erteilte, tröstete mich beim Zischeln. Ich fand es durchaus annehmbar, in einem menschlichen Zoo mitzuspielen, solange die Sache mit dem indischen Akzent vom Tisch war. Als das Problem wieder angesprochen wurde, war das gesamte Ensemble dabei.
    »Jetzt mit Akzent«, sagte Shadwell plötzlich. »Ich hoffe, du hast ihn zu Hause geübt?«
    »Jeremy«, bettelte ich. »Für mich ist es eine politische Frage.«
    Er sah mich wütend an. Die ganze Gruppe beobachtete mich, die meisten eher mitleidig. Bovd hatte SPT, Selbstbehauptungstraining und Primärtherapie mitgemacht; er liebte es, als Ausdruck seiner spontanen Gefühle Stühle durch den Raum zu pfeffern. Ich fragte mich, ob er auch zu meiner Verteidigung einige spontane Gefühle zeigen würde, aber er sagte nichts. Ich sah mich nach Terry um. Terry war aktiver Trotzkist und hatte mich aufgefordert, über die Vorurteile und Mißhandlungen zu reden, denen ich mich als Sohn eines Inders ausgesetzt sah. Abends sprachen wir über Ungleichheit, Imperialismus, weiße Vorherrschaft und darüber, ob sexuelles Herumexperimentieren bloß bourgeoise Maßlosigkeit sei oder zur Auflösung der etablierten Gesellschaft beitrage. Aber wie die anderen sagte Terry jetzt kein Wort. Er stand nur da in seinem Trainingsanzug und wartete darauf, wieder zischelnd über den Boden gleiten zu dürfen. Ich dachte: Du redest auch lieber in Allgemeinplätzen wie: »Wenn die Arbeiter nach der Revolution erwachen, werden sie erfüllt sein von unglaublicher Freude«, statt dich gegen solche Faschisten wie diesen Shadwell zu wehren.
    Shadwell meinte es ernst: »Karim, hier steht eine talentierte und teure Gruppe sehr gut ausgebildeter Schauspieler. Sie wollen arbeiten, sehnen sich nach dem Spiel. Sie sind voller Liebe für ihr bescheidenes Können, begierig, bereit und konzentriert. Aber du, und ich muß leider sagen, nur du, hältst die ganze Produktion auf, du allein. Wirst du also in das einwilligen, was dein erfahrener Theaterregisseur von dir verlangt?«
    Ich wollte fliehen, zurück nach Südlondon, wohin ich gehörte, das ich dummer- und anmaßenderweise verlassen hatte. Ich haßte Shadwell, ich haßte die ganze Gruppe. »Ja«, antwortete ich Shadwell.
    An diesem Abend setzte ich mich in der Kneipe nicht zu den anderen an den Tisch, sondern ging mit meinem Pint und der Zeitung in einen Nebenraum. Ich verachtete

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