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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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wie jeder andere behandelt werden wollte. Ich begriff, daß ich an Dad und Charlie die Kompromißlosigkeit bewunderte, mit der sie gegenseitig ihre Distanz wahrten. Mir gefiel die Macht, die sie besaßen, und die Aufmerksamkeit, die sie erhielten. Mir imponierte, wie sie von anderen bewundert und vergöttert wurden. Und das war auch der Grund dafür, daß ich es trotz des gelben Schals, der mir die Eier abschnürte, des braunen Make-ups und sogar trotz des Akzents genoß, der Mittelpunkt der ganzen Produktion zu sein.
    Ich begann, kleine Forderungen an Shitwell zu stellen. Ich verlangte eine längere Pause, und ob mich vielleicht jemand nach Hause fahren könnte, da ich mich nicht so besonders fühlte? Während der Proben mußte ständig Assam-Tee (mit einem Hauch Lapsang Souchong) für mich bereitstehen. Und könnte jener Schauspieler vielleicht ein bißchen weiter nach rechts rücken, nein, noch ein bißchen? Ich begriff allmählich, daß ich auf die Dinge, die ich brauchte, Anspruch erheben konnte. Mein Selbstvertrauen wuchs.
    Ich war nur noch selten zu Hause und konnte daher nicht mehr auf die gleiche protokollführende Weise aufmerksamer Zeuge der großen Liebe dort sein. Ich merkte, daß Evas intensives Interesse an den Besonderheiten in Dads Leben nachgelassen hatte. Sie sahen sich in letzter Zeit seltener Satyajit-Ray-Filme an und gingen nicht mehr so häufig in indische Restaurants; Eva gab es auf, Urdu lernen zu wollen und sich während des Frühstücks Sitar-Musik anzuhören. Sie interessierte sich für etwas Neues und begann eine großangelegte Kampagne. Eva plante ihren Anschlag auf London.
    Jede Woche fanden in der Wohnung Parties und Essen in kleinem Kreis statt, was ziemlich lästig für mich war, weil ich warten mußte, bis alle ihre Gedanken zum neuesten Roman losgeworden waren, ehe ich auf dem Sofa schlafen konnte. Und oft mußte ich mir nach einem Probentag noch Shadwell anhören, der den Dinnergästen erzählte, wie gut es mit den Vorarbeiten zu »Jungle Books« voranginge und wie »expressionistisch« das Stück sei. Gott sei Dank waren Eva und Dad nicht oft zu Hause, da jede der zahlreichen Einladungen zu Regisseuren, Autoren, Mitherausgebern, Korrektoren, Schwulen und wen immer Eva sonst noch getroffen hatte, von ihr angenommen wurde.
    Auf all diesen Festivitäten - so nannte ich sie immer noch, um Eva zu ärgern - konnte ich feststellen, wie Eva versuchte, sich zu einer künstlerischen Persönlichkeit hochzustilisieren. Menschen wie sie liebten Künstler und alles »Künstlerische«; das Wort selbst war für sie ein Zaubertrank; etwas Sublimes lag in seinem Klang; es war der Schlüssel zum Unkontrollierten und Inspirierten. Menschen wie sie würden alles tun, um das himmlische Wort »Künstler« für sich in Anspruch nehmen zu können. (Sie würden es schon selbst machen müssen - niemand sonst käme auf den Gedanken.) Einmal hörte ich Eva sagen: »Ich bin eine Künstlerin, eine Designerin. Mein Team und ich gestalten Häuser.«
    Früher, als wir noch eine normale, vorstädtische Familie waren, hatten Dad und ich uns über diese affektierte und snobistische Seite Evas amüsiert. Und lange sah es so aus, als würde Evas Ehrgeiz in dieser Hinsicht nachlassen - vielleicht weil Dad ein dankbarer Abnehmer für hochfliegende Pläne war -, doch jetzt stieg der Prahl-Quotient wieder an, täglich und unübersehbar deutlich. Das Problem war nur: Eva hatte durchaus Erfolg, sie wurde, seit sie zum Angriff geblasen hatte, von London keineswegs ignoriert. Tag für Tag stieg sie in höhere und höhere Sphären auf. Es war fantastisch, zu wie vielen Mittag- und Abendessen, Dinners und Picknicks diese Londoner gingen, wie viele Parties, Empfänge, Sektfrühstücke, Eröffnungen, Schließungen, Erstaufführungen und Letztaufführungen sie besuchten. Sie hörten nicht auf zu essen, zu reden und sich Performances anzusehen. Während Eva London eroberte, während sie sich Zentimeter um Zentimeter, Party um Party, Beziehung um Beziehung über das fremde Terrain von Islington, Chiswick und Wandsworth vorkämpfte, vergnügte Dad sich ausgezeichnet. Aber er verstand nicht, wie wichtig all dies für Eva war. Während einer Dinnerparty, als sie zusammen in die Küche gingen, um Joghurt und Himbeeren zu holen, hörte ich zum erstenmal, wie die beiden sich wütend anschrien. Eva sagte: »Um Himmels willen, kannst du nicht wenigstens einmal diesen verdammten Mystizismus abstellen - wir sind doch hier nicht in Beckenham.

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