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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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mit sanfter Stimme.
    »Gleichfalls, gleichfalls.«
    »Deine Schlange war ausgezeichnet.«
    »Danke. Wenigstens machen ein paar Leute in diesem lausigen Land noch ein paar erstklassige Sachen.«
    »Wen meinst du?«
    »Dich zum Beispiel, Matthew.«
    »Ach so, ja. Mich.«
    »Ja.«
    Pyke sah mich an und lächelte. »Komm mit mir an die Bar, Karim, ich geb einen aus.«
    »Ich?«
    »Warum nicht?«
    »Okay. Bis später, Terry«, sagte ich.
    Als ich aufstand, sah Terry mich an, als hätte ich ihm gerade verkündet, daß ich über ein privates Einkommen verfüge. Als Pyke und ich zur Bar gingen, sank er in seinen Stuhl zurück und kippte sich den Whisky hinter die Binde. Während Pyke mir einen Pint bestellte, starrte ich auf die Reihen der zum Zapfen aufgehängten Flaschen über dem Kopf des Barkeepers und vermied es, die anderen Schauspieler in der Kneipe anzusehen, die mich sicher alle anstaunten. Ich meditierte einige Sekunden lang, konzentrierte mich auf meine Atmung und spürte sofort, wie flach sie war. Als wir mit Drinks versorgt waren, sagte Pyke: »Erzähl mir von dir.«
    Ich zögerte. Ich sah zu Marlene, die hinter uns stand und mit einem Schauspieler sprach. »Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.«
    »Erzähl mir, was mich deiner Meinung nach interessieren könnte.«
    Und er sah mich gespannt an. Ich hatte keine Wahl. Die Worte stürzten rasch und wahllos aus mir heraus. Er unterbrach mich nicht, also machte ich weiter. Ich dachte: Er analysiert mich. Vielleicht verstand er ja überhaupt alles, was ich auch sagte. Ich war froh, daß er bei mir war; es gab soviel, was gesagt werden mußte. Also erzählte ich ihm Dinge, die ich noch nie jemandem erzählt hatte - wie sehr ich Dad übelnahm, was er mit Mum gemacht hatte, und wie Mum gelitten hatte, wie schmerzlich die ganze Geschichte gewesen war, obwohl ich das jetzt erst so langsam begriff. Der Rest des Ensembles hatte sich mittlerweile an Terrys Tisch versammelt; alle hatten Gläser mit gelbem Bier vor sich aufgestellt und Stühle umgedreht, damit sie mich besser beobachten konnten, fast so, als würde da ein Fußballspiel ablaufen. Wahrscheinlich waren sie überrascht und verärgert, daß Pyke ausgerechnet mit mir reden wollte, mit jemandem, der doch eigentlich noch gar kein richtiger Schauspieler war. Als ich ins Stottern geriet, weil mich plötzlich der Gedanke überkam, daß Mum nicht mich, sondern ich Mum verlassen hatte, sagte Pyke sanft: »Ich glaube, es würde dir gefallen, in meiner nächsten Produktion mitzuarbeiten.« Ich schreckte aus meinen Träumereien hoch und fragte: »Was für ein Stück wird es sein?«
    Mir fiel auf, daß Pyke den Kopf nachdenklich zur Seite legte und in eine unbestimmte Ferne sah, wenn er etwas sagen wollte. Seine Hände waren ständig in Bewegung; dabei wedelte er nicht mit ihnen herum und zeigte auch nicht mit den Fingern auf dieses oder jenes, sondern strich langsam durch die Luft und ließ die Finger schweben, als gleite er mit der flachen Hand im Abstand von wenigen Zentimetern über ein Gemälde. Er sagte: »Ich weiß nicht.«
    »Was für eine Rolle wird es sein?«
    Er schüttelte betrübt den Kopf.
    »Ich fürchte, ich kann nichts dazu sagen.«
    »Wie viele Schauspieler werden mitspielen?«
    Eine lange Pause. Er fuhr sich mit der Hand, die Finger ausgestreckt und gespreizt, über das Gesicht.
    »Frag mich nicht.«
    »Wissen Sie überhaupt, was Sie inszenieren werden?« fragte ich, etwas mutiger geworden.
    »Nein.«
    »Nun, ich weiß nicht, ob ich bei einem so unbestimmten Stück mitmachen will. Ich bin noch ziemlich unerfahren, wissen Sie.«
    Pyke gab nach. »Ich denke, es wird sich um das einzige Thema drehen, das es in England gibt.«
    »Aha.«
    »Ja.«
    Er sah mich an. Er schien der Überzeugung zu sein, ich wüßte, worum es ging.
    »Klassenunterschiede«, sagte er. »Ist das okay für dich?« »Ja, ich glaub schon.«
    Er klopfte mir leicht auf die Schulter. »Gut. Schön, daß du bei uns mitmachst.« Es klang, als würde ich ihm einen großen Gefallen erweisen.
    Ich trank aus, verabschiedete mich rasch von den anderen Schauspielern und verschwand, so schnell es ging. Ich konnte ihr Grinsen und ihre Neugier jetzt einfach nicht ertragen. Ich ging gerade über den Parkplatz, als mich jemand von hinten festhielt. Es war Terry.
    »Laß mich in Ruhe«, sagte ich ernst und schüttelte ihn ab. »O yeah.«
    Er lächelte nicht. Er sah sogar ziemlich niedergeschlagen aus. Ich schämte mich auf einmal für mein Glück. Wir

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