Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
Vom Netzwerk:
Versuche, sich gegenseitig die Unterhosen herunterzuziehen. Ich war natürlich der langsamste, weil mein Kostüm am schwierigsten wieder loszuwerden war. Es gab keine Dusche; ich mußte mir mein Make-up mit Allzweckcreme entfernen und konnte mich nur mit etwas Wasser aus dem Waschbecken bespritzen. Terry wartete ungeduldig auf mich. Als ich endlich soweit war und nur wir beide noch in der Garderobe waren, legte ich ihm die Arme um den Hals und küßte sein Gesicht. »Komm schon«, sagte er. »Laß uns gehen. Pyke wartet auf mich.«
    »Laß uns noch ein bißchen hierbleiben.«
    »Warum?«
    Ich sagte: »Ich frage mich, ob ich der Partei beitreten soll. Und deshalb will ich meine ideologischen Probleme mit dir besprechen.«
    »Scheiße«, sagte er. Er wich zurück. »Ich bin gar nicht dagegen«, sagte er.
    »Wogegen?«
    »Sich anfassen.«
    Er war natürlich dagegen.
    »Ich muß nur im Moment über meine Zukunft nachdenken. Der Ruf ist gekommen, Karim.«
    »Ehrlich?« fragte ich. »Ist er das? Ist das der Ruf?«
    »Yeah, das ist der verdammte Ruf«, sagte er. »Also komm.« »Mach mir die Hosenknöpfe zu«, sagte ich.
    »Himmel, du... du blöder Junge. Okay. Komm her. Pyke wartet auf mich.«
    Wir hetzten zur Kneipe. Ich hatte Terry noch nie so optimistisch gesehen. Ich wünschte ihm wirklich, daß er diesen Job bekam.
    Pyke und Marlene lehnten am Tresen und nippten an einem Bier. Er sah nicht so aus, als gehöre er zu den Trinkertypen. Drei aus unserer Gruppe gingen zu ihm hin und schwatzten kurz mit ihm. Pyke antwortete, kriegte dabei aber kaum die Zähne auseinander. Dann kam Shadwell in die Kneipe, sah Pyke, blickte uns verächtlich an, nickte und verschwand wieder. Statt auf Pyke zuzugehen, führte Terry mich an einen Ecktisch, wo lauter alte Männer saßen, die sich jede Nacht allein betranken, und nuckelte dort an seiner Selbstgedrehten, während wir unseren üblichen Pint und einen Whisky zum Nachspülen bestellten.
    »Pyke zeigt nicht gerade großes Interesse an dir«, sagte ich. Terry war zuversichtlich. »Er wird schon noch kommen. Er ist ziemlich cool - du weißt doch, wie diese Mittelklassetypen sind. Keine Gefühle. Ich schätze, er braucht meine proletarischen Erfahrungen, damit seine unausgegorenen politischen Ideen etwas glaubwürdiger wirken.«
    »Lehn ab«, riet ich ihm.
    »Das mach ich vielleicht sogar, verflucht noch mal. Die Kritiker nennen seine Produktionen immer >streng< oder >puritanisch<, weil er leergefegte Bühnen und Theater ohne Requisiten liebt, und Wände, bei denen man überall das Mauerwerk sehen kann. Als ob meiner Mum und der Arbeiterklasse so etwas gefallen würde. Die wollen bequeme Sitze, große Fenster und Süßigkeiten.«
    In dieser Sekunde drehte Pyke sich zu uns um und hob sein Glas um einen Zentimeter. Terry lächelte zurück.
    »Pyke hat natürlich auch seine guten Seiten. Er macht keine Eigenwerbung wie die übrigen Wichser von Regisseuren, Dirigenten und Produzenten, die sowieso nur vom Talent anderer Menschen leben. Er gibt keine Interviews und ist nie im Fernsehen. Das gefällt mir an ihm. Aber«, sagte Terry geheimnisvoll und beugte sich zu mir herüber, »es gibt etwas, was du wissen solltest, falls du jemals das Glück hast, mit ihm arbeiten zu dürfen.«
    Er erzählte mir, daß Pyke in seinem Privatleben nicht gerade ein Einsiedler sei, der allen diesseitigen Freuden abgeschworen hatte. Hätten nämlich die unvermeidlichen Mißgeburten von Kritikern, die sein Werk bewunderten - und die Kritiker, die vom Publikum aus zu uns heraufsahen, schienen wirklich die Visagen von häßlichen Gnomen zu haben, deren Rollstühle die Seitengänge verstopften - gewisse Schwächen gekannt - oder sagen wir besser: bestimmte Zügellosigkeiten -, dann würden sie Pykes Werk in einem anderen Lichte sehen. »O ja, in ganz anderem Licht.«
    »In was für einem Licht?«
    »Das kann ich dir nicht verraten.«
    »Aber Terry, wir haben doch noch nie etwas voreinander verheimlicht.«
    »Trotzdem, das kann ich dir nicht sagen. Tut mir leid.« Terry tratschte nicht. Er glaubte, daß die Menschen von den unpersönlichen Kräften der Geschichte geformt werden, und nicht durch Habgier, Arglist oder Wollust. Außerdem kam Pyke gerade direkt auf uns zu. Terry drückte überstürzt seine selbstgedrehte Zigarette aus, schob seinen Sessel zurück und stand auf. Er fuhr sich sogar mit der Hand durch das Haar, begrüßte dann Pyke und stellte uns einander vor. »Schön, dich wiederzusehen, Terry«, sagte Pyke

Weitere Kostenlose Bücher